Frankenthal Mozartsaal wird zur Domplatte

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Seit 40 Jahren beschallt Bap die Republik mit herzwärmendem Kölschrock. Die Band um Gründer und Frontmann Wolfgang Niedecken hat sich in all der Zeit immer wieder runderneuert, Sound und Stil aber sind geblieben. Am Montagabend wurde der Wormser Mozartsaal zur Domplatte: Mit 1250 Gästen feierte Bap im ausverkauften Wormser Kultur- und Tagungszentrum ausgiebig Geburtstag.

Damit sich die Kölschrocker auch 250 Kilometer rheinaufwärts heimisch fühlen, läuten um 20 Uhr die Glocken des Kölner Doms vom Band. Niedecken mag es pünktlich. Und er ist glücklich darüber, „in Worms eine Steckdose gefunden zu haben, an der wir noch nicht gespielt haben“. Das Publikum im Saal besteht zum größten Teil aus Fans der ersten und zweiten Stunde. Viele haben sich ein 1.-FC-Köln-Trikot übergestreift. Gleich im ersten Song, „Frau, ich freu mich“, fühlt man sich in die 80er-Jahre zurückversetzt, wenn Michael Nass ein markantes Keyboard-Solo hinlegt und Niedecken von gehäkelten Klorollenaufsätzen in Autos und dem Abspielen von Bruce-Springsteen-Kassetten singt. Ein erster Stimmungshöhepunkt ist „Aff un zo“. Über das Programm durften die Fans im Internet zuvor abstimmen. Die zweieinhalbstündige Zeitreise durchs Bap-Universum bietet eine stimmige Mischung aus alten Liedern und neuen Stücken des aktuellen Albums „Lebenslänglich“. Der Wiedererkennungswert ist hoch, die Live-Versionen sind nah am Original. Obwohl Niedecken beteuert, nicht mehr so politisch zu sein wie früher, klingt in seiner Moderation doch eine Menge linksalternativer Folklore an, wenn er an die frühen Jahre der Anti-Atom-Bewegung in Wackersdorf oder die Demos gegen das Wettrüsten im Kalten Krieg erinnert. In einem hat der Kölner Barde auf jeden Fall Recht. In den 80er-Jahren war es irgendwie romantischer. Wo heute Mobiltelefon-Displays aufleuchten, waren früher Feuerzeuge, und anstatt für Selfies zu posieren, konnten Rockmusiker noch Autogramme schreiben, erzählt Niedecken. Die Freundin trägt beim Bap-Konzert auch kein Fan mehr auf seinen Schultern. Man ist älter geworden. Der 65-jährige Niedecken drückt es so aus: „Eh du dich versiehst, sitzt ein Schlagzeuger hinter dir, der jünger ist als ,Verdamp lang her’.“ Er meint Sönke Reich, der 1983 geboren wurde. Dafür kann man im fortgeschrittenen Alter zurückblicken. Heraus kommen im Falle von Niedecken rührige Lieder, wie „Alles relativ“. Das Stück ist eine musikalische Miniautobiografie in acht Strophen, zu der auf Videowürfeln Kinderbilder des Kölners eingespielt werden. Dass sein persönliches Fazit nach 40 Jahren Bap positiv ausfällt, ist in „Dä Herrjott meint et joot met mir“ zu hören. Wenn er sich die Schirmmütze aufsetzt und die Ärmel seines Jeanshemds hochkrempelt, zieht der alte Mann vom Rhein alle Register. Im Grunde bleibt bei Niedecken, der die deutschsprachige Rockmusiklandschaft mitgeprägt hat, ja alles beim Alten: Großartiges Songwriting vermengt sich mit Kölscher Authentizität. Am Ende steht ein stimmiges Gesamtpaket, an dem auch Niedeckens langjährige Weggefährten großen Anteil haben. Dazu gehören neben den bereits erwähnten Musikern noch Ulrich Rode (Gitarre), Werner Kopal (Bass) und Anne de Wolff, die munter von der Gitarre über Geige und Cello zur Posaune wechselt und in der Männerrunde für besondere Klangfarben sorgt. Kompliment auch an die Technikabteilung, der es gelungen ist, alle Instrumente perfekt auszubalancieren. Nur einmal wird der Sound zu später Stunde kurz etwas breiig, doch das haben die Herren an den Reglern schnell im Griff. Als am Ende in direkter Abfolge die langersehnten Klassiker „Do kanns zaubre“, „Kristallnaach“, „Arsch huh, Zäng ussenander“ und „Verdamp lang her“ erklingen, kocht die Halle. Die zweieinhalb Stunden vergehen wie im Flug, und die Fans – an diesem Abend sind im Wormser alle irgendwie Kölner – danken es Niedecken und seiner Truppe mit langanhaltendem Applaus. Auch nach einem ausgiebigen Zugabenblock will eigentlich keiner gehen.

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