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Überzeugend: Johanna Regenauer als liebenswürdige Ehefrau mit dunklen Seiten und Tobias Brohammer als glückloser Schriftsteller.
Überzeugend: Johanna Regenauer als liebenswürdige Ehefrau mit dunklen Seiten und Tobias Brohammer als glückloser Schriftsteller.

Im Spannungsfeld zwischen schleichender Entfremdung, infamer Lüge und unterschwelliger Eifersucht bewegt sich der packende Beziehungsthriller „Kleine Eheverbrechen“. Das Kammerspiel des Erfolgsautors Eric-Emmanuel Schmitt begeisterte das Premierenpublikum im gut besetzten Theater Alte Werkstatt (TAW) Frankenthal am Donnerstagabend restlos.

Hedda Brockmeyer, künstlerische Leiterin des Theaters in der Kurve Neustadt, setzte das Stück mit seiner Mischung aus boulevardhafter Leichtigkeit und intellektuellem Tiefgang mit sicherem dramaturgischen Gespür für die mitunter unvermittelten Wendungen in einem emotional aufgeladenen Ehekrieg ebenso sensibel wie temperamentvoll in Szene. Ihre beiden Protagonisten waren ständig in Bewegung – mal vor oder hinter den als Kulisse dienenden weißen Vorhangelementen, mal vor der Whiskyflasche am Bistrotisch oder auch im Zuschauerraum. Höchste Anerkennung verdienen die brillanten schauspielerischen Leistungen. Johanna Regenauer agierte im hautengen knallroten Kleid überaus authentisch und textsicher, mimte nicht nur die liebenswürdige Ehefrau Lisa, sondern offenbarte auch ihre dunklen Seiten. Tobias Brohammer spielte die ambivalente Rolle des glücklosen Schriftstellers Gilles in Mimik und Gestik sehr überzeugend und fand stets die richtige Balance zwischen dezent-erotischen Avancen und lautstarken Gefühlseruptionen – ein verbaler Schlagabtausch, der sich gewaschen hat. Es ist ein altes Motiv, das schon viele Schriftsteller inspiriert hat: Ein Mann verliert sein Gedächtnis, kann sein nach 15 Jahren festgefahrenes Eheleben über Bord werfen und sich völlig neu erfinden. Doch dabei hat er die Rechnung ohne seine berechnende Gattin gemacht. Diese verfolgt die perfide Absicht, ihren Partner gewissermaßen zu recyceln, aus ihm einen Tee trinkenden Traummann zu machen, der sich für Boutiquen und Schuhgeschäfte begeistern kann oder ein wenig eifersüchtig zu Hause auf seine Angetraute wartet. Bei den „kleinen Eheverbrechen“ läuft freilich so gut wie nichts nach Plan, vielmehr tun sich tiefe Abgründe auf. Permanent ändert sich die Ausgangslage, rasant und suggestiv wechseln die Rollen. Den Zuschauer befallen Zweifel, ob Gilles tatsächlich an Gedächtnisschwund leidet, nachdem er sich ausgerechnet an die Hochzeitsnacht in Portofino erinnern kann. Die Handlung verdichtet sich und kreist um die Frage, wer von beiden mehr lügt und wer eigentlich wen umbringen wollte. „Ich habe Angst vor dem, was ich gewesen bin“, bekennt Gilles kleinlaut. Er sieht in seiner (nur gespielten) Amnesie ein Mittel der Lüge, „um zur Wahrheit zu kommen“. Derweil wird seine Lisa immer mehr zu einem emotionalen Wrack, nicht nur wegen ihrer Alkoholexzesse. Fast schon manisch klammert sie sich an die Beziehung, die sie auf der anderen Seite zerstören will, um Platz für einen Neuanfang zu schaffen. Aus psychologischer Sicht wird sie zur Mörderin. „Du hast die Fremden umgebracht, zu denen wir geworden sind“, sagt Gilles, der trotz allem die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft noch nicht verloren hat. Er vergibt ihr großherzig, und dennoch will Lisa ihn verlassen. Als niemand mehr an eine Versöhnung glaubt, bedient sich das Stück eines genialen dramaturgischen Schachzugs: Der Text der Kennenlernszene, die in einer unappetitlichen Begleiterscheinung gipfelt, wird mit vertauschten Rollen wiederholt. Schließlich liegen sich Lisa und Gilles doch noch in den Armen. Allenthalben Erleichterung. Und stürmischer Premierenapplaus.

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