Frankenthal Reformation im Maßstab 1:20

Nach Stadt und Dom im Miniaturformat ist das Lutherdenkmal das dritte Tastmodell, das Künstler Egbert Broerken (links) für Worms
Nach Stadt und Dom im Miniaturformat ist das Lutherdenkmal das dritte Tastmodell, das Künstler Egbert Broerken (links) für Worms geschaffen hat. Der blinde Alfons Henn ist unter den Ersten, die es ertasteten.

Auf den Tag genau 150 Jahre nach der Einweihung des Wormser Lutherdenkmals schenkte der örtliche Rotary Club am Montag der Stadt ein Tastmodell für Blinde. In Sichtnähe zum Original steht der Bronzeguss auf einem Granitblock auf dem Lutherplatz. Die Kosten des Modells sollen dem Wert eines Mittelklassewagens entsprechen.

Das Modell im Maßstab 1:20 ist aus Goldbronze gegossen. Je öfter die Figuren ertastet werden, desto mehr wird der Goldton durchschimmern. Gearbeitet habe er nach Plänen, Zeichnungen und Fotos, berichtete Künstler Egbert Broerken bei der Übergabe an die Stadt. Rund zehn Monate hätten die Arbeiten gedauert. Ein Brand in der Gießerei und ein ausgerenkter Wirbel hätten das Projekt in Verzug gebracht, sodass das Modell nicht schon im Lutherjahr 2017 übergeben werden konnte, so Broerken. Die Beschriftungen des Denkmals wurden in Blindenschrift übertragen. „Glücklicherweise nicht in einer Kurzschrift“, wie Alfons Henn anmerkte. Der langjährige Vorsitzende des Blindenvereins und Behindertenbeauftragte der Stadt Worms war unter den ersten, die das Modell ertasteten. „Anhand der filigranen Figuren und Formen können Blinde und Sehbehinderte, aber auch Sehende das maßstabsgetreue Modell ertasten, die Größenverhältnisse erfühlen und etwa bei den Zinnen des äußeren Quadrats den Bezug zum Kirchenlied ,Ein feste Burg ist unser Gott’ nachempfinden“, sagte Rotary-Club-Präsident Andreas Schneider. Nach dem Stadtmodell am Parmaplatz und dem Dommodell ist es das dritte Tastmodell, das von Broerken für Worms gestaltet und vom Rotary Club finanziert wurde. Die Miniaturen für Blinde sind Broerkens Idee und Markenzeichen. Mehr als 100 Stück davon haben der Künstler und sein Sohn Felix in den vergangenen 20 Jahren geschaffen, ist unter www.blinden-stadtmodelle.de auf Broerkens Internetseite nachzulesen. Die Bedeutung des Modells als Beitrag zur „barrierefreien Erkundung der Stadt“ hob Oberbürgermeister Michael Kissel (SPD) ebenso hervor wie den touristischen Aspekt der Reformations- und Lutherstadt. Darauf sei man genauso stolz wie auf die jüdische Tradition und den Dom. Kissel erinnerte auch daran, dass das Denkmal, das die Katholiken als Affront empfunden hatten, 1868 vor den Toren der Stadt errichtet wurde. Zur Einweihung seien rund 22.000 Menschen gekommen, darunter der spätere Kaiser Wilhelm I., der sich einen Sonnenbrand und Hitzschlag geholt habe. Heute stehe das Denkmal im Zentrum „auf einem der schönsten Plätze von Worms“, betonte Kissel. Für Menschen ohne Augenlicht sei es wichtig, diesen Verlust durch andere Sinneswahrnehmungen wie Riechen, Hören und Fühlen auszugleichen, sagte Ulrich Oelschläger, Präses der evangelischen Kirche Hessen-Nassau. Er regte an, die Broschüren der Stadt auszugsweise auch in Blindenschrift herauszugeben.

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