Frankenthal Retrosound für Kenner

Ein intensives Wohnzimmerkonzert zwischen Folk, Blues und Rock erlebten rund 40 Zuhörer am Samstagabend im Frankenthaler Kulturzentrum Gleis 4. Singer-Songwriter Philip Bölter spielte eigene Stücke sowie kreative Coverversionen von Bob Dylan, Neil Young, Deep Purple und Led Zeppelin.

Am Anfang steht die sanft perlende Folkgitarre. Stücke wie „Four Wheels Turning“ oder das frühe „Contract“ liefern Retrosound für Kenner. Fluffige Melodien lässt Bölter über die Westerngitarre perlen, begleitet von Mundharmonikapassagen. In drei intensiven Konzertstunden wird der Vollblutmusiker gleich mehrere Saiten schrotten. Bölter spielt wie ein Besessener, impulsiv und variantenreich folgt er spontanen Einfällen. Sein Klangspektrum reicht von meditativ und psychedelisch bis perkussiv, von bluesig bis rockig. Er entwickelt eine ansteckende Dynamik. 120 eigene Songs hat Bölter bereits geschrieben, acht Alben und zwei Vinyl-LPs selbst produziert. Sein Stücke scheinen die Tradition amerikanischer Folkmusikheroen wie Dylan und Young fortzuschreiben, wirken aber frisch und zeitgemäß. Sie erzählen von Freunden, die man zu selten sieht, thematisieren das Musikerleben auf Tour oder den Umgang mit der Umwelt („Breathing In, Breathing Out“). Dabei zeigt sich Bölter als Freigeist und sympathischer Träumer. 1988 in der Lausitz geboren und in der Rhön aufgewachsen, habe er schon als Junge die Gitarre dem Fußball vorgezogen und erste Stücke nach Gehör nachgespielt, erzählt er in Frankenthal. Kurz vor dem Abitur verließ Bölter das Gymnasium für seinen Traum vom Musikerleben. Ein Studium an der Popakademie Mannheim absolvierte er per Begabtenförderung. Rund 1000 Konzerte hat er inzwischen gespielt und einige Preise gewonnen, darunter den renommierten Robert-Johnson-Gitarrenwettbewerb und 2012 den deutschen Rock- und Pop-Preis für die beste Country-Band. Abwechslung vom Solistendasein holt er sich in Bandprojekten mit seinem Bruder Florian. Philip Bölter arbeitet im Gleis 4 mit drei Gitarren, fünf Mundharmonikas und einer per Fußdruck bedienbaren Verstärkertechnik, die den Sound einer ganzen Band zaubert. Die Bassdrum spielt er per Stompbox, Fingerspiel ersetzt die Snare und satte Akkorde und Melodiebögen den Bass. Im Laufe des Abends wird das Konzert lauter, Folk- und Bluesstücke werden von Rockklassikern abgelöst. Technisch kommt sein Stilgrenzen überschreitender Sound ohne Loopstation aus. Halleffekte auf einem zweiten Mikro verstärken die Bluesakustik. Einer zwölfsaitigen Steelgitarre entlockt er indisch inspirierte Klänge mit hypnotischer Wirkung. Coverstücke wie „Whole Lotta Love“ (Led Zeppelin) oder „Heart Of Gold“ (Neil Young) spielt er in extensiver Länge. Zwischendurch plaudert der Künstler aus seinem Wanderleben. Seit zehn Jahren reist Philip Bölter als fahrender Sänger im eigenen Hippiebus durch die Republik. Wobei er seit Kurzem auf einem Bauernhof auf der Schwäbischen Alb Wurzeln geschlagen hat. Ohne Agentur, Management und Plattenvertrag meistert er seine Gigs in Eigenregie. Seinen Ausflug ins Musikbusiness – er war bei drei Shows von „The Voice Of Germany“ dabei – habe er als lehrreich empfunden. Doch das sei nicht sein Ding gewesen, erzählt er. „Du wirst ein Produkt, ein musikalischer Dienstleister für den Massengeschmack.“ Er bevorzuge Freiheit und Authentizität: „Es geht mir um nachhaltige Kreativität.“ Und davon ist das Publikum im Gleis 4 begeistert.

x