Frankenthal „Seid wachsam“

Die vor rund zwei Jahren beendete Reihe „Nachtkonzert“ mit Musik und Betrachtungen zu Werken des Frankenthaler Bildhauers Erich Sauer erlebte am Freitagabend in der Lutherkirche ein Revival. Anlass war der 86. Geburtstag des Künstlers am 17. Februar.

Damit war die Reihe fast an ihren Ursprung in der benachbarten Kirche St. Paul zurückgekehrt. Musikalisch begleitet die Nachtkonzerte seit jeher Musikschulleiter Hans-Jürgen Thoma, an der Seite des Cembalisten nun die Flötistin Sohee Oh. Detailreiche, spannende Betrachtungen mit aktuellen Bezügen lieferte der Hausherr, Pfarrer Martin Henninger. Drei bereits ältere Plastiken hatte er sich ausgewählt sowie zwei, die es bislang nur als Wachsmodell gibt, fürs Publikum als Dia. Henninger stellte allen Arbeiten Sauers Lebensthema voran: „Seid wachsam, schaut genau hin, hört genau zu.“ Bei den neuen Arbeiten wie „Das Märchen von der weißen Weste“ und „Missbrauch“ beschrieb der Theologe, was die etwa 70 Zuhörer im Kirchenraum an den Plastiken sehen konnten: Dass die weiße Weste unsichtbar ist und Missbrauch den Menschen spaltet. Den Begriff weiße Weste führte Henninger auf die römische Candida Toga, das weiße Gewand des unbescholtenen Amtsträgers zurück und setzte es dem weißen Taufkleid der Christen gleich. Sein Fazit: „Wir sind alle Menschen und machen Fehler. Wir brauchen keine weiße Weste, sondern Ehrlichkeit.“ Missbrauch, arbeitete er heraus, habe immer mit Macht zu tun. Als Gebrauchsanweisung dagegen zitierte er den alten Spruch „Was du nicht wills, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“ Wichtig sei auch die Erkenntnis, dass keinem als Ebenbild Gottes geschaffenen Menschen die von Gott gegebene Würde infrage gestellt werden dürfe. Ältere Werke und damit im Kirchenraum nahbar und begreifbar waren „Irrweg“, „Die verlorene Freiheit“ und „Metaphysikus“. Irrwege führten für Martin Henninger auch zur Erkenntnis. Als Beispiel nannte er die Reformation, welche die Erneuerung der Kirche brachte. „Verlorene Freiheit“, 1984 entstanden, beleuchtete er aus der Geschichte heraus, dass der Mensch nicht mehr wie frühere Generationen eingeengt sei, dass jedoch Freiheit nicht beliebig, sondern an Werte gebunden sei. Was ihn weiterführte zum „Metaphysikus“, der aus einer „verkrumpelten Haut, wie der Schmetterling aus seinem Kokon“ über sich hinauswachse und nach dem Kern des Menschseins frage. Hans-Jürgen Thoma hatte zu Beginn betont: „Von Erich Sauer verabschiedet man sich nicht so einfach.“ Hier in Frankenthal sei der Künstler groß geworden, hier könne man ihm begegnen und auch manch kritisches Wort von ihm vernehmen. Und das blieb am Freitag nicht aus. Eine Absage erteilte Sauer möglichen Ideen „hin und wieder einige Plastiken aufzustellen oder eine Promenade“ zu bestücken. Jedoch, wenn Freund Thoma einlade, sei die Teilnahme Ehrensache. |cei

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