Frankenthal „Thema ist so aktuell wie zuvor“

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NEUSTADT. Erst Kaiserslautern, dann Ludwigshafen, Kusel, Trier, Koblenz und jetzt Neustadt: Im Januar will der renommierte Fotograf Thomas Brenner gemeinsam mit der Stadt die Kampagne „Flüchtlinge willkommen“ starten. Was ihn begeistert: das Engagement junger Neustadter. Denn begonnen wird in den drei Gymnasien.

Herr Brenner, wie kamen Sie vor zwei Jahren auf die Idee für eine solche Fotokampagne?

Noch bevor die ersten Flüchtlinge in Kaiserslautern, wo ich lebe, eintrafen, wurde ja viel darüber gesprochen. Schon dabei wurden auch viele Vorurteile laut. Deshalb habe ich mir gedacht: Die Menschen, die zu uns flüchten, müssen ein Gesicht bekommen. Dann fällt es schwerer, sie nur als anonyme Masse wahrzunehmen, über die sich viel leichter schlecht reden lässt. Waren die Flüchtlinge, die Sie damals fotografiert haben, denn gleich damit einverstanden? Grundsätzlich schon. Allerdings hatten wir zuerst einen Testlauf gemacht. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Fotos nicht zu konkret erkennbar sein sollten. Weil die Flüchtlinge Angst davor hatten, sich zu sehr zu exponieren. Letztlich haben wir dann das Stilmittel Schwarz-Weiß mit hohen Kontrasten gewählt und einen knappen textlichen Rahmen, der seither geblieben ist und auch für den Wiedererkennungseffekt sorgt. Waren die Bürgerporträts, die im zweiten Schritt in Kaiserslautern folgten, ebenso leicht zu bekommen? Es war kein Problem. Wir waren mit etwa 300 Menschen – Geschäftsinhaber, Pfarrerinnen, Politiker, Vereinsvorsitzende, Kioskbesitzer, Arbeiter, Schüler, also einer möglichst breiten Mischung der Gesellschaft – gestartet. Schließlich lebt das Projekt vom Querschnitt der Stadt. Mit ihrem Statement „Ich heiße Flüchtlinge willkommen, weil ...“ auf Plakaten im öffentlichen Raum wurde viel bewegt, weil eben immer einer einen erkannt hat beim Vorbeilaufen. Am Schluss waren es geschätzte 800 Kaiserslauterer – das hat die Sache auch lebendig gehalten. Kaiserslautern zählt rund 100.000 Einwohner, Trier, Koblenz oder Ludwigshafen noch viel mehr. Neustadt hat knapp 54.000 Einwohner. Lohnt sich da der Aufwand überhaupt? Davon bin ich überzeugt. Die Probe aufs Exempel war Kusel, das ja noch viel kleiner ist als Neustadt, allerdings auch eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge bekam. Aber jede öffentliche Stellungnahme, die Akzeptanz, Toleranz und Verständnis fördert, ist ein Baustein für eine humanistisch eingestellte Gesellschaft. Andererseits hat sich beim Thema Flüchtlinge einiges verändert. Passen Sie die Kampagne daran an? Ich würde es ausbauen nennen. Und ja, natürlich, denn die Zeit läuft ja weiter. In Ludwigshafen zum Beispiel startete die Kampagne in einer Zeit, als schon viele Flüchtlingskinder eingeschult waren. Da haben wir auch Doppelporträts fotografiert, womit Gemeinsamkeiten und Unterschiede festgehalten werden konnten. Wie bei zwei Jungen – der eine Flüchtling, der andere Einheimischer –, beide im Fußballtrikot, weil beide schon immer Fußball lieben. Entsprechend dazu zwei Mädchen mit Fahrrad, was dem Flüchtlingskind in seiner Heimat verboten gewesen war. Wie sind Sie denn überhaupt auf Neustadt gekommen? Die Schülersprecherin eines Neustadter Gymnasiums hat mich angeschrieben und gefragt. Und weil auch schon ein Neustadter, mit dessen Agentur ich seit Jahrzehnten zusammenarbeite, nachgefragt hatte. Er stellte den Kontakt zu Bürgermeister und Sozialdezernent Ingo Röthlingshöfer her, dann ging alles ganz schnell. Genau so soll es auch sein: Menschen, die super engagiert sind, keine langen Wege, einfach im Sinn von: Gute Idee, das machen wir. Ich freue mich auf jeden Fall riesig darauf, in der zweiten Januarwoche mit den engagierten Schülern der drei Gymnasien starten zu können. Haben Sie eine neue Idee? Im zweiten Schritt Flüchtling und Flüchtlingshelfer als Doppelporträt. Das bietet sich nach allem, was ich bislang von der ehrenamtlichen Arbeit hier gehört habe, sicher an. Mancher könnte jetzt fragen: Muss das sein? Weil er das Thema Flüchtlinge satt hat oder Geld anderswo auch gebraucht wird. Was entgegnen Sie? Das Thema ist so aktuell wie zuvor. Dass sich gerade junge Leute in Neustadt dafür stark machen, ist doch ein schönes Zeichen. Und zum Geld: Wir reden hier nicht über große Beträge, die Aufnahmen mache ich fast nur ehrenamtlich. Würde dieses Projekt nicht unterstützt werden, würde das Geld für ähnliches verwendet. | Interview: Anke Herbert

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