Frankenthal Wenn die Schildkröte Can-Can kriecht

Es waren nicht gerade viele Zuhörer, die zum Familienkonzert der städtischen Musikschule Frankenthal in die Zwölf-Apostel-Kirche gekommen waren. Doch wer den „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saens in einer Bearbeitung für Orgel und mit dem Text des deutschen Satirikers Vicco von Bülow alias Loriot hören wollte, erlebte am Samstag einen kurzweiligen Nachmittag.

Dargeboten wurde das tierische Karnevalstreiben von Wolfgang Portugall an der Orgel und Hans-Jürgen Thoma, der die 14 kleinen Sätze mit Worten pointierte. In seiner Einführung stellte Thoma, Leiter der Städtischen Musikschule, Saint-Saens als einen der bedeutendsten Komponisten des 19. wie des frühen 20. Jahrhunderts dar. Ein Wunderkind, das schon mit 15 Jahren am Konservatorium in Paris studierte, mit elf sein erstes öffentliches Konzert gab. Seine Opern und Sinfonien, seine Kammermusik und geistlichen Werke galten richtungsweisend für ihre Zeit. Der Karneval der Tiere machte ihn weltberühmt, allerdings erst nach seinem Tode 1921. Der Komponist hatte in diesem Werk nicht nur die Tierwelt in ihren Charakteren und Befindlichkeiten treffend in Musik gefasst, er hat auch Größen der Musikwelt parodiert. Doch er wollte die Verehrer von Komponisten wie Jacques Offenbach, Hector Berlioz und Gioachino Rossini nicht verärgern. Daher gab es zwar Aufführungen an Fastnachtdienstagen mit Cello und Klavier, doch die Kammermusikversion wurde erst nach Saint-Saens’ Tod veröffentlicht. Mit dem Frankenthaler Konzert konnte niemand verärgert werden. Ganz im Gegenteil. Thomas feinfühlige, den Bülowschen Humor glänzend in Szene setzende Rezitation und das ausdrucksstarke Spiel von Portugall ließen die Waldeslichtung und ihre illustren Besucher vor dem Auge der Zuhörers lebendig werden. Die Waldameise, die mit dem Erdferkel über die Kostüme der anderen streitet, das Orchester bestehend aus Uhus unter der Leitung des Marabus. Und dann der Einmarsch des Königs der Tierwelt, des Löwen mit seinem Hofstaat samt Hühnern, Hähnen und wilden Eseln. Die Behäbigkeit der Schildkröten beschrieb ihr Tanz, ein Can-Can im Schneckentempo, oder besser gesagt im Schildkrötentempo. Darauf folgte eine Elefantendame als Ballerina. Kängurus, Fische, Vögel wie auch zwei Eichhörnchen als Pianisten wurden treffend illustriert. Höhepunkt vor dem glanzvollen Finale der Einzug des stolzen Schwans – die Melodie erklingt übrigens auch beim Ballett „Der sterbenden Schwan“. Portugall ließ die Orgel ganz sensibel erklingen. In die Vollen ging er eher selten. Beim Schrei des Löwen und dann mit ganzer Kraft voraus im Finale, wo die überwältigende Klanggewalt des mächtigen Instruments zur Geltung kam. Stunden hatte er damit zugebracht, die Registrierung der Orgel zu programmieren. So hatte Portugall auf Knopfdruck die erforderliche Klangfarbenmischung zur Hand, und der kammermusikalische Anspruch des Komponisten kam bestens zum Ausdruck. Nach dem Konzert bat der Organist auf die Empore. Dort durften Jung und Alt das Wunderwerk der Technik in Augenschein nehmen. Für die Kleinen spielte er noch mal ihre Lieblingsmelodie aus dem gerade gehörten Werk. „Ihr wollt ja immer die schwierigsten Sachen“, wunderte sich der Organist, als er die Wünsche der Kinder hörte. Doch für einen Mann seiner Klasse war es sicher ein Genuss, mit so viel Aufmerksamkeit bei seinem Spiel bedacht zu werden. So erfüllte er geduldig die Musikwünsche und ließ den Löwen noch mal seinen Ruf anheben, die Fische im Aquarium blubbern und den Schwan zu seinem Schaulauf schwimmen.

x