Frankenthal Wortschwelgerische Dialektverkostung

Stehend applaudierten die Besucher einem Könner seines Fachs: Mit seinem Programm „Nur für kurze Zeit – Alles gloffe“ lieferte Kabarettist Arnim Töpel am Samstag im Theater Alte Werkstatt zwei Stunden allerbeste Unterhaltung.

Mit einem „Ahoi, Gott zum Gruß, hier lebt der Blues“ startete Arnim Töpel sein Programm: eine Collage aus bekannten Nummern und neuen Elementen. 18 Jahre hauptberuflich auf der Bühne mit Blues und alltagsphilosophischen Balladen, wortschwelgerischer Dialektverkostung und abgründig zutreffenden Milieuskizzen: Töpel ist längst ein Fixstern am Kleinkunsthimmel. Cool, mit raunender Stimme und minimalistischer Musikbegleitung zelebriert der glatzköpfige Bartträger im grauen Westenanzug sein Programm. Ob Flügel, Keyboard oder E-Bass – der ehemalige Jurist spielt sich durch die Lieblings-Songs seines Lebens: von den Doors, Bob Dylan, James Brown und Rory Gallagher. Klassikern wie „Father of Day, Father of Night“, „When Time Is Over“, „Million Miles Away“ und „Cocaine“ verpasst er andere Inhalte, etwa über erneuerbare Energien oder die eigene Informationsallergie. Töpel springt virtuos von einem Thema ins nächste. Als Philosoph des Alltäglichen macht er sich Gedanken über „chronisch unterschätzte und überforderte“ Zeitgenossen und über Kindergeburtstage („gegen Wohlstand kann man sich nicht wehren“). Seine Alltagsbetrachtungen bringt er auf Hochdeutsch. Geboren in Heidelberg, aufgewachsen in Walldorf, wurde er wohl aufgrund seines preußischen Migrationshintergrunds (die Eltern Berliner) nicht dialektal sozialisiert. Mit seinem Quasi-Nichtdialekt, den er dennoch beherrscht und in seinen Programmen dosiert einsetzt, kokettiert der spätberufene Mundartist gekonnt. Genüsslich kostet er die Lautqualitäten des Kurpfälzischen auf der Zunge, schmeckt, schlürft und schlotzt die Vokale, was an sich schon wieder bluesträchtiges Sprachmaterial ergibt. Seine Vergangenheit als Hörspielmacher beim Radio kommt ihm hier zugute. Und die Lust auf vollen Körpereinsatz. Besonders stark ist Töpel immer, wenn er Sprache mit Klang und Musik verbindet: Seine rhythmischen Sprach-Hybridformen im Hochdeutsch-Mundart-Mix, unterfüttert mit Fingerschnipp-Groove, Brustbein-Beats und Backen-Percussion machen einfach Spaß. Für „Pälzer Ramondigger“ hatte Töpel sein „Ei laaf ju, ju laaf mie – laafen mer zamme, wo laafen mer hie“ dabei. Und für Regionalkrimifans Vorlese-Episoden aus seinen fünf Krimis, darunter ein Wiedersehen mit „De Schorle-Peda“. Ein Wiederhören gab es auch mit „De Günda“, Töpels Alter Ego aus Schulzeiten, und mit dem „Muffzekopp“. Wie sich ein gebeutelter Tanzschuleleve fühlt angesichts der „Dauerdrohung Damenwahl“ beim Tanztee mit der Tante im Südpfälzer Kurhaus, bekam das sichtlich amüsierte Publikum ebenso zu hören wie den Titelsong „Alles gloffe“ zu Lou Reeds „Walk on the Wild Side“. Was passiert, wenn als letzter Wegweiser auf der Suche nach uns selbst nur die Sprache bleibt und Navigationssysteme mit Mundart arbeiten, wenn vom Weniger-Mehr-Haben die meisten Menschen genug haben, auch darüber bastelt Töpel augenzwinkernd seine Aphorismen. In Sachen Kurpfälzisch selbst ein Spätberufener, sieht sich Töpel heute als Dialektbotschafter und Bewahrer und plädiert für den fächerübergreifen Einsatz des Dialekts in Schulen. Es gehe um Identität, genauso wie bei den allgegenwärtigen Fragen „wem geheerschn du“ und „wu geheersch du hie“. Mit der Botschaft „du muscht gfunne werre“ und dem Lied „Haamzuus“ schickte Töpel nach gut zwei Stunden sein gut gelauntes Publikum nach Hause.

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