Frankenthal „Zeitgeist spricht gegen uns“

Eine Podiumsdiskussion mit Vertretern der Musikschulen aus den Partnerstädten Frankenthals soll am Vorabend des neunten Adolf-Metzner-Musikwettbewerbs den Blick auf die Musikschulen und deren unterschiedliche Schulsysteme lenken sowie Perspektiven für die Zukunft ausloten. Dazu haben wir den Leiter der Städtischen Musikschule Frankenthal, Hans-Jürgen Thoma, befragt.

Herr Thoma, was ist der Adolf-Metzner-Musikwettbewerb?

Ein Wettbewerb für Kinder und Jugendliche, die in Frankenthal und Umgebung leben und hier ihre musikalische Ausbildung erhalten. Er findet zum neunten Mal statt. Es werden 72 junge Künstler, auch aus den Partnerstädten Colombes, Sopot und Strausberg, teilnehmen. Wie kamen die Partnerstädte zum Adolf-Metzner-Wettbewerb? Gemeinsam mit dem ehemaligen Beigeordneten Winfried Scheuber dachten wir, es wäre toll, die Partnerstädte einzubeziehen. Wer wird an der Podiumsrunde teilnehmen? Aus Colombes Marie Francoise Maumy, aus Strausberg Klaus-Peter Will und aus Sopot Gabriela Konkol. Ist der Vergleich mit den Partnerstädten auch ein Vergleich verschiedener Musikschulsysteme? Auf jeden Fall. Wir haben verschiedene Systeme. In Polen haben wir beispielsweise eine kleine Eliteschule mit 160 Schülern. Sie bleiben nur bis zum 13./14. Lebensjahr und genießen ein umfängliches Ausbildungsprogramm. Sie lernen ein bis zwei Instrumente, haben Gehörbildung, Theorie, Ensemblefach Orchester und gehen an vier Tagen in der Woche zur Musikschule. So wird es auch in Strausberg vor der Wende gewesen sein? Ja, doch dort hat sich vieles gewandelt. Heute hat man eine Musikschule für jedermann, vom Kleinkind bis zum Senior, wie es typisch für die deutsche Musikschullandschaft ist. Und in Frankreich? Dort gehen die Schüler der allgemeinbildenden Schulen täglich, außer mittwochs, bis 17 Uhr zur Schule. Es gibt kein flächendeckendes Musikschulsystem wie bei uns, und so auch nicht die Möglichkeit, Begabungen zu finden und zu wecken. Colombes hat eine Musikschule, dort sitzen die Lehrer samstags und sonntags beim Unterricht, um ihre Schüler zu halten. Drohen uns diese Verhältnisse? Wir erleben mehr und mehr die Verlagerung des Schulunterrichts in die Nachmittagsstunden, eine ständige Zunahme der Ganztagsschulen und im Bereich der weiterführenden Schulen die Zunahme von G8-Gymnasien. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass Musikunterricht, Sport und alle außerschulischen Aktivitäten in den frühen Abendstunden stattfinden – oder sie finden nicht mehr statt. Die Kinder und Jugendlichen melden sich mit dem Einstieg in die Oberstufe vermehrt ab. Wie kann man dieser Entwicklung begegnen? Wir gehen selbst mit unserem Personal in die Ganztagsschule, bieten das Klassenmusizieren in der Bläser-, Streicher- und Trommelklasse an. Wir überlegen auch, die Musikschüler dort in den Freistunden zu unterrichten. Doch das Unterrichten ist eine Sache, die Schüler müssen auch die Möglichkeit zum Üben haben. Dazu eine kritische Anmerkung. Wir sind eingebunden in soziale Netzwerke, das kostet viel Zeit. Zeit, die dann zum regelmäßigen Üben fehlt. Es gibt einen Zeitgeist, der gegen uns spricht, dabei meine ich auch gegen den Sport. Die Vereine, die Kirchen klagen auf dem gleichen Niveau. Wie sehen Sie die Perspektive für Frankenthal? Ich möchte einen noch stärkeren Schulterschluss mit den allgemeinbildenden Schulen suchen. Da haben wir noch Potenzial. Wir haben in Frankenthal auch die tolle Situation, dass alle großen Schulen von der Musikschule zu Fuß zu erreichen sind. Wie finden Sie das polnische Modell? Das östliche System fördert nun mal Höchstleistungen, bringt hervorragende virtuose Künstler hervor. Uns geht es eher um die Breitenwirkung. Das ist ein Pyramidenmodell, in der Schule und im System. Wir geben jedermann die Möglichkeit, sein Talent zu suchen und zu finden. Darüber hinaus gewährleisten unsere Musikschulen auch die Ausbildung für Hochbegabte. Die Hochschulen bieten dann die ideale Fortsetzung der Ausbildung an.

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