Grünstadt Der Begreifbarmacher

Es war die letzte Grünstadter Sternstunde im Europa-Kino, das bekanntlich durch einen Neubau ersetzt wird, aber die gute Nachricht ist: Das gemeinsame Stummfilm-Projekt der Kinobetreiber mit dem Grünstadter Kulturverein wird auch in den neuen Räumen weiterlaufen. Das verriet die Vorsitzende des Kulturvereins, Susanne Friedl-Haarde, zum Beginn des aktuellen Projekts, bei dem der Streifen Café Elektric von Gerhard Gruber am Steinway Flügel vertont wurde.

Der 1927 in Österreich unter der Regie von Gustav Ucicky gedrehte Stummfilm, der vor allem die Moral und die wahre Liebe idealisiert, wäre eigentlich uninteressant, wenn er nicht der erste große Film von Marlene Dietrich wäre, die in Café Elektric die Erni verkörpert, die dem Zuhälter Ferdl auf den Leim geht, für ihn stiehlt und in die Gosse abrutscht. Während Erni absteigt, verlässt Hansi (gespielt von Nina Vanna), die eigentliche Protagonistin des Films, die Halbwelt und das Milieu, heiratet und wird letztlich nach schweren Zeiten in Armut, doch noch eine rechtschaffene Frau. Soviel zur Handlung, deren Ende übrigens offen bleibt, da der letzte Teil des Films verloren gegangen ist. Ist aber auch unwichtig, wegen der Handlung würde sich heute niemand mehr den Film ansehen, allenfalls die langen Beine der jungen Dietrich sind auch heute noch einen Blick auf den Film wert. Was ihn zum Erlebnis macht, ist das Spiel von Gerhard Gruber, einem Stummfilmpianisten alter Schule, das darf man getrost von ihm sagen. Es macht von den ersten Takten an Spaß, ihm zuzuhören. Die Melodien sind gefällig, er ordnet jedem Charakter gewisse melodiöse Grundstrukturen zu, auch die Orte – vor allem das Café Elektric – werden durch gleiche Klangfolgen für die Zuschauer erlebbar und bekommen einen Wiedererkennungswert. Gruber, selbst Österreicher, erzählt vorm Film von seiner Jugend im Internat, als er mit Laurel und Hardy oder Buster Keaton in Berührung kam, und dann begann, selbst als Stummfilmpianist zu agieren. Er spielt auch so, als würde er in der Entstehungszeit der Filme im Kino am Klavier sitzen. Alleine deshalb unterscheidet sich seine Vertonung von den bisherigen Kino-Projekten des Grünstadter Kulturvereins, die überwiegend einen moderneren neuen Ton unter die alten Filme legten. Gruber schafft es auch, komplett hinter dem Geschehen auf der Leinwand zurückzustehen. Der Zuhörer nimmt ihn wahr, als Hintergrund, quasi wie einen zusätzlichen Erzähler, der den Film leichter begreifbar macht. Nicht die Musik spielt die Hauptrolle, sondern der Film – so zumindest erscheint es. Zu verdanken hat der Gast im Kinosessel diesen Effekt den perfekten Tonfolgen. Wird es dramatisch, dann geht Gruber zu markanten Moll-Tönen über, wird auf der Leinwand getanzt, spielt er die entsprechende Musik. Bei manchen Szenen, die damals durchaus das Publikum gefesselt haben, erzielt er so heute kurze Lacher. Interessant wäre in jedem Fall Gruber zu erleben, wenn er die komödiantischen Werke der Stummfilmkomiker aufgreift – vielleicht eine Idee für die Zukunft.

x