Battenberg Die Band Gretchens Pudel auf der Burg

Das ist des Pudels Kern: die von Adrian Rinck gegründete Band mit Sänger Ralf Eßwein.
Das ist des Pudels Kern: die von Adrian Rinck gegründete Band mit Sänger Ralf Eßwein.

Witzig, eigensinnig, entspannend: mit jazz-poppigem Liedgut-Recycling überraschte die Band Gretchens Pudel am Mittwoch auf der Burg Battenberg bei dem ersten Konzert in der Reihe ProCultur.

Es war das erste Konzert in der Reihe ProCultur, das draußen stattfinden konnte, freute sich Organisator Alex Lützke: „Normalerweise regnet’s am ersten Mittwoch immer“.

Keine begossenen Pudel also, Band und Publikum blieben trocken. Und so gab es Genuss hoch drei: ein außergewöhnliches Konzert bei spektakulärem Sonnenuntergang im 360 Grad-Pfalz-Panorama.

Mit „Gretchens Pudel“ hatten die Veranstalter nach einigen Gigs aus der Region auf eine fünfköpfige Formation aus dem Südwesten gesetzt, die sich aus Jazz und Folk, Pop und Poesie, Bänkelsang und Kabarett bedient, um aus Volksliedern Kunst zu machen. Inspiriert vom Great American Songbook hatte Adrian Rinck, Bandleader und Pianist aus Bad Bergzabern, die Idee zum Liedgut-Recycling vor gut zehn Jahren aus den USA mitgebracht und zwischen Stuttgart und Saarbrücken vier kongeniale Musiker-Kollegen gefunden.

Kabarettistische Komponente

Zur Eröffnung gab es als Zugabe das Goethe-Gedicht „Brautnacht“ im launigen Latin-Sound und mit Engel Amor als Voyeur. Mit Volksliedern frisch verföhnt steht die Band für Traditionspflege durch Transformation und lädt ein zum Wiederentdecken alten Liedguts. Mit Mittelpunkt des aktuellen Programms standen die Songs ihrer neuen (zweiten) CD „Kein schöner Land“. Die ist, unter anderem mit Gastkünstlern wie Konstantin Wecker, aufwendig produziert und nominiert für den Preis der deutschen Schallplattenkritik. Doch live entfaltet die Band erst ihre kabarettistische Komponente. Dramaturgisch getragen wird das Programm von Sänger Ralf Eßwein. Mit abgeschrabbeltem Frack, fransigem Zylinder und pink-plüschigen Pudelpuschen scheint der Germersheimer geradewegs Brechts Dreigroschenoper entsprungen.

Mit rollenden Konsonanten und genüsslich gelutschten Silben verkostet er die Texte in bester Bänkelsänger-Manier. Dazwischen trötet, rotzt und haucht Jan Kamp in seine Posaune, spielt ausladende Solos und kabbelt sich zwischendurch als bekennender Saarländer mit Sänger und Publikum oder erzählt obskure Anekdoten.

Mit Aha-Erlebnissen

Für den passenden Groove sorgen Jan Mikio Kappes aus Stuttgart am Kontrabass und der Mannheimer Schlagzeuger Julian Losigkeit mit feinem Händchen für Minimalismus. Die eingängigen Arrangements stammen von Bandleader Adrian Rinck, Dozent an der Uni Landau. Seine feinperlenden Piano-Piano-Passagen überraschten mit stilistischer Vielfalt, filigranen Improvisationen und Anspielungen und trugen entscheidend bei zur hintergründig suggestiven Atmosphäre von Stücken wie der „Winterreise“ oder Heinrich Heines „Loreley“.

Die Band mit dem Goethe-Bezug im Namen nimmt Volkslieder ins Visier und sorgt damit für Amüsement und Aha-Erlebnisse. Da wird „Im Frühtau zu Berge“ zum Cha-Cha-Cha und aus dem alten Kinderlied „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ wird Text- und Sinn-modifiziert ein blutiges Eifersuchtsdrama. Auch „Kein schöner Land“ erhält behutsam umgetextet, einen sozialkritischen Twist und eine freiheitsliebende Komponente. „Die Gedanken sind frei“ schweben als Cool Jazz durch die Luft. Dagegen wird das Schlaflied „Weißt du, wieviel Sternlein stehen“ mit der Ergänzung „Du weißt nichts!“ zur Abrechnung mit Dummheit, Ignoranz und Gier im Spätkapitalismus.

Philosophische Tiefe

Im Rilke-Gedicht „Wunderliches Wort“ offenbart jazziges Voicing (auf der CD Konstantin Wecker, im Livekonzert Ralf Eßwein) die philosophische Tiefe. Bei allem musikalischen Recycling wagt sich die Band auch an eigene Lieder: So lässt Ralf Eßwein in seinem Liedtext „Kukuruku“ seine menschlichen Turteltauben erst verliebt schnäbeln und schließlich vor Rache triefen.

„Gretchens Pudel“ gaben ein Konzert voller Überraschungen, bei dem Liebhaber handgemachter Musik jenseits stilistischer Schubladen voll auf ihre Kosten kamen. „Hänschen klein“ als waschechter Blues und der sehnsuchtsvolle Ufa-Song „Irgendwo auf der Welt“ rundeten das ungewöhnliche Konzert ab.

x