Grünstadt „Echt ätzend“

Hier ist Geduld gefragt: Auf der A 6 zwischen Frankenthal und Mannheim geht es im Berufsverkehr nur sehr langsam voran. Für weni
Hier ist Geduld gefragt: Auf der A 6 zwischen Frankenthal und Mannheim geht es im Berufsverkehr nur sehr langsam voran. Für wenige Kilometer braucht unser Mitarbeiter eine knappe Stunde.

Das Problem ist erst mal nicht der zu erwartende Stau, das Problem ist die Uhrzeit. Denn wer morgens im Berufsverkehr im Stau stehen will, muss entsprechend früh raus. In dem Fall um 5 Uhr, schließlich wartet der Stau nicht bis mittags. Dabei sind Staus an sich nichts Neues, sie sind da, seit es den motorisierten Individualverkehr gibt. Im Jahr 2006 etwa hatte der ADAC zur Hauptferienzeit den Sommer über deutschlandweit 967 Staus gezählt, die zehn Kilometer oder länger waren. Zählte man die Länge all dieser Staus zusammen, kam man auf 13.850 Kilometer – so weit ist es von hier nach Australien. Und damals gab es das Straßenausbauprogramm von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) noch nicht, nicht mal den Bundesverkehrsminister Dobrindt selbst. Denn seit der Deutschlands Straßen wieder auf Vordermann bringen will, haben die Staus gefühlt dreimal nach Australien und zurück zugenommen. Aber soweit wollen wir an diesem Mittwochmorgen gar nicht fahren. Sondern lediglich über die A 650 und A 61 zum Autobahnkreuz Frankenthal und dort auf die A 6 Richtung Mannheim. Uns interessiert der Stau zwischen den Anschlussstellen Ludwigshafen-Nord und Mannheim-Sandhofen, über den seit Anfang April so viel gejammert wird. in Ludwigshafen und Frankenthal. Nicht nur, weil viele von dort auch Stau-Leidtragende sind, sondern weil so mancher Pendler seit Anfang April versucht, dem Stau ein Schnippchen zu schlagen und ihn zu umgehen – indem er, anstatt über die Autobahn zu kriechen, quer durch die Stadt gurkt. Was wiederum den Verkehr dort noch weiter bremst. Grund für den nunmehr tagtäglichen Stau auf der A 6 ist, dass das Land Baden-Württemberg den Abschnitt zwischen der rheinland-pfälzischen und der hessischen Landesgrenze bis Ende 2020 saniert. Es ist 7.15 Uhr, als ich die Ausfahrt Bobenheim-Roxheim erreiche. Hier muss ich erstmals auf die Bremse treten, weil der Verkehr plötzlich nur noch ganz langsam rollt. Der Stau beginnt. Wenigstens ist das Wetter schön, im Osten steigt gerade die Sonne in den stahlblauen Morgenhimmel – und blendet. Also die Sonnenbrille aufgesetzt und weitergerollt. Ein Stück voran, bremsen, ein Stück voran, bremsen. Fünf Minuten später bin ich keinen Kilometer weitergekommen. Wäre es ein unerwarteter Stau, hätte ich sicher schon etliche Male geflucht. Aber ich habe es ja so gewollt. Man stelle sich vor, ich wäre so früh aufgestanden, um in den Stau zu fahren – und dann wäre da gar keiner. Ist er zum Glück aber, und damit auch ungezählte andere Autofahrer – vor mir, hinter mir und neben mir. Ich lasse die Scheibe des Seitenfensters herunter, Kühle schlägt mir ins Gesicht. Die Sonne scheint zwar, aber es ist doch noch ziemlich kalt. Das Thermometer im Auto zeigt fünf Grad Celsius an. Ich bedeute den zwei jungen Frauen im Auto nebenan, ihr Fenster ebenfalls zu öffnen. Netterweise tun sie es. „Müsst Ihr täglich hierher?“ „Ja, morgens und abends.“ „Und, wie findet Ihr das?“ „Echt ätzend.“ Dann erzählen sie, dass sie aus Kaiserslautern kommen und in Mannheim arbeiten. „Habt Ihr schon mal versucht, über Ludwigshafen auszuweichen?“ „Ja, haben wir. Das bringt aber nichts, ist auch nicht wirklich besser.“ Das glaube ich ihnen unbesehen. Es ist kurz vor 7.30 Uhr, als ich die Ausfahrt Ludwigshafen-Nord erreiche. Seither ist es nur zäh vorangegangen. Aber lange an ein- und demselben Fleck gestanden habe ich auch nicht. Im Radio sind jetzt die Staus an der Reihe, meiner ist dabei. Rund 30 Minuten Zeitverlust, sagt die Stimme im Radio. Na dann hätte ich ja gerade sowas wie Halbzeit. Außerdem habe ich Durst. Aber nichts zu trinken dabei. Absichtlich nicht. Nachher müsste ich noch müssen. Im Stau, in dem der Gesetzgeber ein menschliches Bedürfnis nicht als Notfall anerkennt. Weshalb ich auch nicht mal schnell aussteigen dürfte. Ginge sowieso nicht, bei dem großen Publikum . Irgendwann, es sind keine zehn Minuten vergangen, habe ich die Anschlussstelle Ludwigshafen-Nord passiert. Jetzt liegt das Nadelöhr direkt vor mir: Jene Stelle, an der sich die A 6 von zwei auf eine Fahrspur verengt und der Verkehr von Ludwigshafen-Nord auf die Autobahn fließt. Bald stehe ich. Nichts geht mehr. Minuten vergehen. Nur manchmal komme ich ein paar Meter voran. Na, bis Mannheim-Sandhofen kann das ja dauern, denke ich, und wechsle von links auf die nunmehr einzige verfügbare Spur. Ich passiere die Grenze nach Baden-Württemberg und lasse das Nadelöhr hinter mir. Und plötzlich läuft’s – einspurig. Dem Stau im Rückspiegel sage ich lächelnd „Tschüss“.

x