Grünstadt Ein bisschen die Welt retten

Beim Thema Abwasser macht ihm keiner was vor: Abwassermeister Hans Jürgen Schüler (mit Latzhose) beim Rundgang.
Beim Thema Abwasser macht ihm keiner was vor: Abwassermeister Hans Jürgen Schüler (mit Latzhose) beim Rundgang.

«GRÜNSTADT.» Albert Monath, Chef des Entsorgungs- und Servicebetriebs der Stadt Grünstadt (EBG), zu dem die Kläranlage gehört, und die Abwassermeister Hans Jürgen Schüler und Mathias Noll führen die Leserinnen und Leser in zwei Gruppen über das weitläufige Gelände, erklären anschaulich die verschiedenen Reinigungsstufen und beantworten geduldig Fragen. Und von denen gibt es viele, nicht nur von den Erwachsenen: Auch Kinder machen bei der Sommertour mit und interessieren sich brennend für die entscheidende Frage: „Was passiert mit der Kacka?“, wie es der sechsjährige Mats formuliert. Wer befürchtet hatte, dass es in einer Kläranlage unappetitlich ist: das trifft eigentlich nur im „Empfangsbereich“ zu, in der Halle, wo das Abwasser ankommt und ein Rechen die groben Bestandteile – und eben auch Kacka – zurückhält. „Wir haben hier keine Warendurchgangskontrolle, wir müssen alles nehmen, was kommt“, scherzt Schüler. Und das sind nicht nur organische Stoffe, sondern auch etliches, was nicht in der Toilette hinuntergespült werden sollte. Der zehnjährige Eric wundert sich über die vielen Schwalben, die in der Halle nisten: Die helfen dabei, die Fliegen zu bekämpfen, erklärt Schüler. 3500 Kubikmeter Abwasser kommen zurzeit täglich in der Kläranlage an, aus Grünstadt, Asselheim und Sausenheim, vom Kirchheimer Gewerbegebiet Rosengarten und von den Gemeinden Obersülzen, Bockenheim und Kindenheim, von Privathaushalten, Gewerbe- und Industriebetrieben. Bei Regen ist es entsprechend mehr, dann könne es sein, dass das Regenauffangbecken vor der Kläranlage in ein paar Minuten vollläuft, so Schüler. Im Jahr sind es 1,3 Millionen Kubikmeter, die hier gereinigt werden. Astrid Frommherz will wissen, wieso die Tankreinigungsfirma Dinges ihr belastetes Abwasser zur städtischen Kläranlage leiten darf: Die BASF habe schließlich auch eine eigene Kläranlage bauen müssen. Die Firma reinige ihr Abwasser vor, sagt Schüler: „Wir kontrollieren täglich.“ Er verschweigt nicht, dass es schon Probleme gab, die Kläranlage sogar schon einmal umkippte, weil die Bakterien nicht mehr arbeiteten, die biologische Reinigung damit ausfiel. Weil es so wichtig ist, dass es den verschiedenen Mikroorganismen gutgeht, werden ständig Proben genommen und im Labor untersucht. Per EDV wird dann gesteuert, falls hier mehr Luft benötigt wird oder da ein bisschen Rücklaufschlamm. Ab und zu gibt’s auch ein Gläschen Essigsäure. Auch die Wasserqualität wird getestet: Sie muss stimmen, sonst muss Strafe gezahlt werden. Weiter geht’s zum belüfteten Sandfang, wo der Sand aus dem Abwasser entfernt wird: Er wird noch mal gewaschen und kann dann wieder verwendet werden. „Wissen Sie, warum montags der meiste Sand kommt?“, fragt Schüler. Frommherz kommt gleich drauf: „Ja, da haben die Leute die Gass gekehrt.“ Am nächsten Becken holen feine Rechen alles heraus, was größer als drei Millimeter ist, „auch Wattestäbchen“. Im Vorklärbecken setzt sich der Schlamm ab. Er kommt in die beiden großen Faultürme mit einem Fassungsvermögen von jeweils 1500 Kubikmeter. Dort gärt er, dabei entstehen 400 bis 500 Kubikmeter Methangas pro Tag. Damit wird ein Blockheizkraftwerk betrieben, das Strom und Wärme liefert, für die Gebäude, aber auch für die solare Klärschlammtrocknung. Im Faulturm muss die Temperatur bei konstant 36 bis 37 Grad liegen, damit die Bakterien gut arbeiten. Nach der mechanischen Reinigung des Abwassers folgt die biologische, etwa im Tropfkörper, wo das Wasser auf Kunststoffwaben gesprüht wird und Bakterien die organischen Bestandteile fressen. Im Denitrifikationsbecken wandeln andere Mikroorganismen unter Luftabschluss Nitrat in Sauerstoff und Stickstoff um, der dann in die Luft entweicht. Auch der Phosphor muss aus dem Wasser entfernt werden, was mittels Chemikalien geschieht. Eine vierte Reinigungsstufe sei im Gespräch, antwortet Schüler auf die Frage nach der Belastung mit Mikroplastik und mit Arzneimittelrückständen. Vorbei am Belebungsbecken geht es schließlich zum Nachklärbecken. Das Wasser sieht richtig sauber aus, auch wenn es natürlich keine Trinkwasserqualität hat. Es fließt von hier in den so genannten Vorfluter, den Landgraben. Und was passiert mit dem Klärschlamm, dem Sorgenkind vieler Kläranlagen? Sorgenkind deshalb, weil seine Entsorgung teuer ist. Der Entsorgungs- und Servicebetrieb muss zahlen, egal, ob der Schlamm verbrannt wird oder auf die Felder kommt – was immer mehr eingeschränkt wird, unter anderem wegen der Belastung mit Schadstoffen. In Grünstadt wird er deshalb nicht nur gepresst, sondern auch solargetrocknet. Damit reduziert sich sein Gewicht schon einmal enorm. Aber dann kommt der eigentliche Clou: Im Reformer, einer Pilotanlage, wird er verglimmt, die entstehende Abwärme wird wieder zum Trocknen benutzt. Die Asche, die übrig bleibt, ist kein Abfall, sondern phosphorhaltiger Dünger, der auch verkauft werden kann, sobald die Behörden grünes Licht geben. Die Grünstadter Stadtwerke haben hier eine Vorreiterrolle übernommen, denn die Phosphorrückgewinnung ist besonders wichtig, weil die Vorräte dieses lebenswichtigen Minerals auf der Erde zur Neige gehen. „Was tun wir hier? Ein bisschen die Welt retten“, sagt EBG-Chef Albert Monath nicht ohne Stolz. Zu Recht.

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