Grünstadt Einblick in Wolfs Liederwelt

Großen Beifall gab es für Simon Bucher, Sarah Wegener und Dominik Wörner (von links).
Großen Beifall gab es für Simon Bucher, Sarah Wegener und Dominik Wörner (von links).

Traditioneller Bestandteil des Kirchheimer Konzertwinters ist ein Liederabend mit seinem künstlerischen Leiter, dem Bassbariton Dominik Wörner. Er gestaltete ihn zusammen mit der Sopranistin Sarah Wegener, zurückhaltend und nuancenreich von Simon Bucher am Flügel begleitet. Der Abend war diesmal zum Abschluss der Saison den Mörike-Liedern von Hugo Wolf gewidmet. Das Zuhören am Sonntag machte ideal bemessene fünfviertel Stunden lang Freude.

Irgendwann im Jahr 1888 packte es Hugo Wolf (1860 bis 1903), den spätromantischen Fortsetzer der von Schubert und Schumann groß gemachten deutschen Klavierliedtradition. Innerhalb weniger Wochen komponierte er 53 Lieder, allesamt nach Gedichten Eduard Mörikes, des manchmal behäbigen, manchmal verschrobenen und oft genug auch vertrackt-hintersinnigen Dichters biedermeierlicher Szenen. 23 davon waren in Kirchheim zu hören, und es spricht sowohl für die Autoren wie für die Ausführenden, dass dabei keineswegs der Eindruck ermüdenden Einerleis aufkam. Das liegt schon in den Texten begründet: Mörike gestaltet Altmodisches im Volkston ebenso wie romantisch-zerrissene Liebessehnsuchten und satirisch gesehene Szenen der Gesellschaft. Wolf antwortet darauf mit einer Fülle von Gestaltungstechniken, wobei er knapper, prägnanter Diktion – es gibt kaum Textwiederholungen – den Vorzug gibt und sich unbefangen-vergnügte Melodienseligkeit nur an ironischen Stellen leistet. Dem entsprachen die beiden Gesangssolisten auf schöne und, was den Liederabend spannungsreich und interessant machte, unterschiedliche Weise. Sarah Wegener hat eine große und volle Stimme. Sie beeindruckt schon, wenn sie sich einfach mit Verve gleichsam in die Musik hineinwirft, mit Kraft den Notentext blühen lässt. Ihre Stimme ist in allen Registern stark und zuverlässig, und sie wählt zumeist einen durchaus opernhaft-direkten Zugriff, verkörpert recht direkt das von Mörike in Worten und von Wolf in Tönen Gesagte. Ihr Gesang ist so volltönend reich strömend, dabei im Ausdruck durchaus differenziert, dass er keines komplexen interpretatorischen Kalküls bedarf, um anzukommen. Auch Dominik Wörner verfügt über eine reiche Stimme: profund, klar und volltönend, dabei immer wieder bemerkenswert wendig. Und natürlich vermag er auch durch forsches Drauflossingen zu wirken. Interessanter sind seine Interpretationen aber dort, wo er von Wort zu Wort Ausdrucksnuancen wechselt, von jetzt auf nachher Sonnenschein in scharfen Wind, in schroffes Unbehagen zu wandeln weiß. Da gibt es beispielsweise eine Stelle im berühmten „Feuerreiter“, wo er plötzlich einen Abgrund des Unheimlichen aufreißt, wie es dem Text allein – Mörikes sprachliche Kunstmittel sind beschränkt und wirken manchmal ziemlich veraltet – heute kaum mehr gelingt. Auch das Spottgedicht auf den ungeliebten Rezensenten, der nach einem heute kaum noch verständlichen Wortwechsel mit einem Tritt die Treppe hinunter expediert wird, wozu Wolf einen schwungvollen Walzer schreibt, gestaltet Wörner mit wahrer Lust am humoristisch motivierten Feuerwerk höchst differenzierter Ausdrucksnuancen. Dass Sarah Wegener derartiges auch zu Gebote steht, zeigt sie in dem Couplet „Nimmersatte Liebe“, und gemeinsam wissen beide aus einer nur zwei Strophen langen Hochzeitsszene, bei der es leider an Liebe fehlt, eine urkomisch ausgespielte Satire zu machen. Genauso stark sind beide aber auch, wenn es gilt, schlichte und innige Töne zu finden, etwa bei dem den ersten Konzertteil abschließenden „Gebet“ oder der wunderschönen Zugabe. Das meiste indes wurde nicht im Duett, sondern solo und abwechselnd gesungen, und gefiel so, dass der Beifall am Ende groß war. Er galt gleichermaßen Simon Bucher am Flügel, der stets verlässlichen klanglichen Grund bot und den Sängern immer den Vortritt ließ. Fazit: rundum gelungen.

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