Grünstadt „Elvis ist der Coverkönig“

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Petticoat raus und Haartolle fixieren: Am 3. November, 20 Uhr, macht die Rock’n’Roll-Band The Baseballs auf ihrer „Hit Me Baby…“-Tour Station im Wormser Kulturzentrum. Wir sprachen mit den zweifachen Echo-Gewinnern Rüdiger Brans, Sven Budja und Sebastian Raetzel, die sich Digger, Sam und Basti nennen, über Ace of Base und die Zeitlosigkeit von Musik.

Ihr widmet Euch auf dem neuen Album den Songs der 90er-Jahre. Warum habt Ihr Euch dieses Mal ein bestimmtes Jahrzehnt ausgesucht? Digger:

Wir haben schon als Kinder Rock’n’Roll gehört und waren damit relativ alleine. Nach den ersten beiden Alben mit Coverversionen von aktuellen Songs haben wir überlegt, ob die neue Platte auf eine bestimmte Zeit beschränken können. Da fielen uns die Backstreet Boys und Britney Spears ein. Diese Lieder wollten wir unserem Musikgeschmack anpassen. Musikalisch musste man da zwar schon sehr dran arbeiten, aber zumindest die Texte waren, egal ob Britney-Spears-Fan oder nicht, noch im Hinterkopf. Im Probenraum war es fast erschreckend zu sehen, wie wir die Zeilen ohne vom Blatt abzulesen mitsingen konnten. Das waren quasi Ohrwürmer, die sich in Euren Köpfen festgesetzt haben. Digger: Irgendwie schon. Wir haben uns diesen Liedern ja auch nicht verwehrt. Auf einer Party hatte man gar keine andere Möglichkeit. Im Pressetext steht, dass Ihr mit dem Album auch Traumata eurer Jugend aufarbeitet. Welche denn? Basti: Bis ich 13 war, musste ich mir das Zimmer mit meiner älteren Schwester teilen. Sie war ein großer Ace-of-Base-Fan, ich nicht so sehr. Aber wie das so ist: Meine Schwester hat bestimmt, welche Musik den ganzen Tag lief. Als wir „The Sign“ im Studio aufgenommen haben, konnte ich jeden einzelnen Schlenker, den die Sängerin macht, mitsingen. Gefällt denn Deiner Schwester Eure Version? Basti: Ja. Sie hat sich sehr darüber gefreut, dass wir das gemacht haben. Welche Band oder Songs der 90er fandet Ihr besonders schlimm? Sam: Was heißt schlimm. Man hat die Musik damals einfach ertragen. Es war nicht schlimm, dass damals alle Leute bei mir in der Schule Backstreet Boys und Co. gehört haben, aber ich habe diesen Trend eben nicht mitgemacht. Es gab keine Band, die ich komplett doof fand. Bei dem Album hat es sehr viel Spaß gemacht, die Songs so zu präsentieren, wie wir sie damals gerne gehört hätten. Digger: „I Believe I Can Fly“ ist schon ein toller Song. Sam: Ja, man muss ja auch neidlos anerkennen, dass die Songs, die damals geschrieben wurden, eingängige Melodien hatten und großartige Produktionen waren. Sie waren zurecht ganz oben in den Charts. Digger: „Everybody“ ist auch toll. Eigentlich sind wir doch schon ganz große Fans der Künstler (lacht). Stichwort „Everybody“: Die Boybands dieser Zeit haben bei ihren Konzerten immer toll choreografierte Shows auf die Bühnen gebracht. Gibt’s bei Eurer Tour auch synchrone Tanznummern ? Basti: Auf keinen Fall! (alle lachen) Digger: Wir haben bei einem unserer ersten Konzerte… Sam: Das darfst du nicht erzählen! (lacht) Digger: Doch. Das war in Berlin und wir haben uns überlegt, wie wir uns präsentieren wollen. Bei ein, zwei Songs haben wir uns schon choreografische Aussetzer geleistet. Am intensivsten haben wir für „I Don’t Feel Like Dancing“ trainiert, weil wir da gedacht haben, dass es unfassbar lustig wäre, wenn wir zu diesem Song zusammen tanzen würden. Basti: Der Grad zwischen unfassbar lustig und unfassbar peinlich ist ziemlich schmal. Digger: Das haben wir gemerkt … Sam: … und Choreografien sofort wieder eingestellt. Digger: Wir achten auf der Bühne aber schon aufeinander. Wenn wir mal die Hüften rhythmisch zum Song schwingen, dann versuchen wir das gleichzeitig nach links und nach rechts zu machen. Es ist jetzt aber nicht so, dass wir unsere Stühle einmal im Kreis drehen, uns dann draufsetzen und unsere Hände vom Schritt Richtung Lippen wandern lassen. Aber jetzt, wo ich das gerade so erzähle, wäre das doch mal eine Idee fürs nächste Video… – mal sehen, ob ich die Jungs davon überzeugen kann. (heftiger Protest im Hintergrund) Nach zwei Alben mit Covers habt Ihr ein Album mit eigenen Kompositionen veröffentlicht. Nun geht Ihr wieder zurück zu Coversongs. Soll das künftig immer wechseln? Basti: Nach dem letzten Album mit den vielen eigenen Songs hatten wir wieder richtig viel Lust, zu covern. Wenn wir die Arbeit an einem neuen Album starten, legen wir uns aber nie fest, wie viele eigene Lieder oder Coversongs dabei sein müssen. Es kann sein, dass beim nächsten Album wieder eigene Songs zu hören sind, vielleicht ist der Anteil auch 50:50. Viele Bands haben Angst, den Stempel „Coverband“ verpasst zu bekommen. Und Ihr? Sam: Wir lieben es zu covern. Letzten Endes ist gerade die Rock’n’Roll-Musik eigentlich mehr oder weniger dadurch entstanden. Elvis ist der größte Coverkünstler gewesen, sozusagen der Coverkönig. Zu dieser Zeit war das nicht so verschrien. Man kann einfach eine Coverband sein, die alles eins zu eins nachspielt. Das ist natürlich nicht so schwer. Aber wenn man was Neues, was Eigenständiges daraus machen möchte, muss man sich sehr mit dem Original beschäftigen und schauen, wie man eine Version bekommt, die auch für sich stehen kann. Das ist gar nicht so einfach. Da ist es manchmal sogar leichter, einen eigenen Song zu schreiben. Wenn uns jemand eine Coverband nennt, dann haben wir damit absolut kein Problem. Hätten wir nicht „Umbrella“ gecovert, hätten wir nicht die Möglichkeit gehabt, in der ganzen Welt zu spielen, liebe Menschen kennenzulernen und den Rock’n’Roll in die Welt hinauszutragen. Warum funktioniert die Rock’n’Roll-Musik heute noch so gut? Digger: Das soll jetzt keineswegs banal klingen, aber letztendlich ist es die Einfachheit der Musik, die überzeugt. Wir sind als Kinder ja keine Rock’n’Roll-Fans gewesen, weil in den Liedern eine dicke, fette Message versteckt war. Es ging vielmehr um Rhythmus und Harmonien, um Musik, die nicht nur mit den Ohren, sondern auch mit dem Bauch gehört werden kann. Das ist ein Geheimnis von Zeitlosigkeit. Wir sind sehr zufrieden mit dem neuen Album, weil wir die einfachen und guten Kompositionen der 90er verbinden konnten mit den einfachen Rhythmen des Rock’n’Roll. Das soll jetzt nicht abwertend klingen. Die Musik ist komplex, allerdings verbreitet sie gute Laune und steht für ein beschwingtes Lebensgefühl. Ihr spielt in Worms. Was fällt euch spontan dazu ein? Digger: Dieses Spiel mit den Würmern… (lacht) Sam: Das war damals schon angesagt. Digger: Wir sind schon oft daran vorbeigefahren, oder? Basti: Wir haben mal ganz schnell gegoogelt. Da kommt als erstes folgendes: Montag Fitnesskurs, Dienstag Fitnesskurs… Digger: … dort sind also alle durchtrainiert – genau das richtige Publikum, um mit uns zwei Stunden lang die Hüften zu schwingen. Karten The Baseballs, 3. November, 20 Uhr, im Wormser Kulturzentrum. Tickets gibt es im Vorverkauf beim Ticket-Service Worms im Wormser (Rathenaustraße 11) oder über Telefon 06241-2000-450 sowie im Internet unter www.das-wormser.de. | Interview: Sandrina Lederer DOPPELTERZEILENUMBRUCH

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