Grünstadt Experimente mit der Welt

Gerlinde Rech vor einem ihrer Bilder, die bis Ende April im Haus Zellertal zu sehen sind.
Gerlinde Rech vor einem ihrer Bilder, die bis Ende April im Haus Zellertal zu sehen sind.

«ALBISHEIM». Die mittlerweile 25. Kunstausstellung im Haus Zellertal in Albisheim wird von der experimentierfreudigen und vielseitigen Malerin Gerlinde Rech aus Göllheim gestaltet. Sie zeigt sich bei der Eröffnung gerührt und überwältigt von der großen Zahl der Bewohner und Besucher, die zur Vernissage kamen.

Ulrike Pohl von der Albisheimer Kulturwerkstatt nimmt in ihrer Begrüßung Bezug auf die Geschichte der Kunstausstellungen, die es im Haus Zellertal seit 2009 gibt, als Silke Strack die Leitung des Hauses übernahm. Viele unterschiedliche Kunstrichtungen und Techniken habe man seither sehen können. Und nun könne man sich „absolut sattsehen am trefflichen vielfältigen Werk von Gerlinde Rech“. Volker Jacob stellt ein Zitat von Heinrich Heine an den Anfang seiner Laudatio: „Ein kühnes Beginnen ist halbes Gewinnen.“ Und Kühnheit zeichnet wohl die ehemalige Schulsekretärin aus, die nach dem Einstieg in die Seidenmalerei vor 18 Jahren eine Ausbildung bei Magdalena Schindler in Breunigweiler begann und seitdem sich dem Experimentieren mit Farben, Themen, Techniken und Materialien mit großer Leidenschaft widmet. „Hier sieht nicht alles gleich aus, so viel Verschiedenes entstand in kurzen 18 Jahren“, bestätigt Jacob. Bezug nimmt er auf Bilder im Foyer. Zunächst die drei Mohnblumen, die ihr prachtvolles Rot vor einem weißen Hintergrund entfalten. Zwei weit geöffnete Kelche halten dem Betrachter ihren Schatz, die schwarzen Samenfäden, entgegen. Das Rot strahlt Lebendigkeit aus dank der vielfältigen Schattierungen. In der Ausstellung entdeckt man dann Rechs Gemälde von fünf Mohnblumen vor schwarzem Hintergrund. Die Öffnung ihrer Blüten scheint noch im Gange zu sein, ihre Samenfäden strecken sich, durch den reichen Farbauftrag hervorgehoben, dem Betrachter entgegen. Hat es Rech in diesem Bild von 2016 die Bewegung angetan, so muss es zwei Jahre zuvor die Farbe Rot gewesen sein. Diesmal ragen aus der grün gestalteten unteren Hälfte des Bildes drei Mohnblüten heraus. Zunächst sind sie noch erkennbar in ihren Umrissen, bald schon werden sie Teil eines roten mit Gold durchwirkten Farbenrausches in der oberen Bildhälfte. Nicht nur mit Gegenständlichem experimentiert Rech. Jacob lenkt die Aufmerksamkeit der Besucher auf das zweite Bild im Foyer und fragt sie nach ihren Ideen zu diesem abstrakten Gemälde in beige-braun-weißen Tönen. Es werden vielfältige Eindrücke geäußert: Auge, Windhose, Explosion, Wirbel, Tunnel, Brunnen, Strohballen. Es wirke so anders, gegensätzlich, eher trist, wenn man es mit den Mohnblumen vergleiche. Genau das mache die Kunst Rechs aus, fasst der Laudator zusammen: „Der eine wird sich einen Strohballen ins Zimmer hängen, der andere in die Röhre gucken oder einen Brunnen sehen, ich habe den Ausschnitt einer Schnecke entdeckt.“ In den Äußerungen zu ihrer Kunst bestätigt das Rech: „Ich male so (frei), wie ich mich fühle und möchte dem Betrachter Freiheit lassen für eigene Phantasien.“ In goldener Schrift schreibt sie 2012 ein Zitat von Wilhelm Raabe auf einen schwarzblauen Hintergrund, der auf die Nacht als Zeit der Träume hinweisen könnte: „Ein Mensch ohne Phantasie ist wie ein Vogel ohne Flügel.“ Vielseitig gestaltend hat sie ihrer Phantasie freien Lauf gelassen: Aus einem plastisch gestalteten goldenen Herz scheint ein Baum zu wachsen, aus goldenen Baumrindenstückchen. Man erkennt die Silhouette einer Stadt. Drei weitere „Silhouetten“ entdeckt man in der Ausstellung, jede scheint einer eigenen Inspiration und technischen Neugierde entsprungen zu sein. Vor einem hellblau-rosa-weißen Hintergrund hebt sich kaum wahrnehmbar die Silhouette einer Stadt hervor, die Häuser mit gespachtelten Rillen gestaltet, die schwarzen Sandspritzer verstärken die plastische Wirkung des Bildes. Farbkräftige Kontraste gestaltete sie mit den beiden benachbarten Silhouetten, in lebhaftem Blau gehalten die eine, in hellem und dunklen Rot und klarem, schwarz-weißen Umriss die andere. Jacob berichtet, wie Rech ihm ihren Schaffensprozess beschrieb: „Die Zeiten sind dran, wenn sie dran sind, und dann geht es ab in den Keller, meist hat sie Udo Lindenberg dabei, der inspiriert sie wohl sehr. Sie ist ein Mensch, der in sich hineinblickt und sich ausdrückt, mit sich selbst und mit der Welt experimentiert.“ Eingestimmt auf eine berührende Betrachtung der Werke wurden die Besucher durch die musikalische Umrahmung. Ronny Döll und Detlev Malms beeindruckten mit virtuosem Gitarrenspiel von englischer Renaissancemusik und spanischer Folklore. Die Bilder sind bis Ende April 2018 tagsüber im Haus Zellertal in Albisheim sehen.

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