Eisenberg Gienanth will Stellen streichen

Rund 1000 Mitarbeiter beschäftigt die Gienanth-Gruppe, rund 630 davon in Eisenberg.
Rund 1000 Mitarbeiter beschäftigt die Gienanth-Gruppe, rund 630 davon in Eisenberg.

Bei Gienanth werden Arbeitsplätze gestrichen. Das hat das Unternehmen am Donnerstagabend verkündet. Um wieviele Stellen es geht, ist noch unklar. Klar scheint aber, dass es vornehmlich das Eisenberger Stammwerk treffen wird.

Warum steckt Gienanth in der Krise?
Die Gründe für die Krise scheinen vielfältig. Die gestiegenen finanziellen Belastungen der Gruppe seien zum einen auf die Corona-Pandemie sowie stark angestiegene Preise für Rohstoffe und Energie zurückzuführen. Allein die Ausgaben für Strom beispielsweise hätten sich von 2021 auf 2022 verdreifacht und seien dann nochmal um 20 Prozent gestiegen, rechnete Ingo Schorlemmer, Pressesprecher der Rechtsanwaltskanzlei Schultze & Braun, vor, die Gienanth unterstützt. Auch die Sanktionen gegen Russland trafen Gienanth, da die Produktionsstandorte Kulmbach und Schwandorf durch diese größere Aufträge nicht ausführen konnten. Dazu kam dann der Großbrand in Chemnitz.

Wie hat Gienanth auf die Krise reagiert?
Die Bombe platzte im November: Die Gienanth GmbH, eine Kerngesellschaft der gleichnamigen international agierenden Gießerei-Gruppe, hat beim Amtsgericht Kaiserslautern einen Antrag auf Sanierung in Eigenverwaltung gestellt. Ein insolvenzrechtliches Verfahren, bei dem das Unternehmen zwar selbst im Regiestuhl sitzt, dabei aber von Sanierungsexperten unterstützt wird. Im Falle Gienanth war und ist dies das Rechtsanwalt-Team von Schultze & Braun aus Achern, die Beratungsgesellschaft Roland Berger sowie die Rechtsanwaltskanzlei Baker McKenzie. Wenige Tage später wurde bekannt, dass auch gleichartige Anträge für die Gienanth Group GmbH und die Gienanth Sales GmbH gestellt wurden. Damit waren dann alle 630 Gienanth-Mitarbeiter in Eisenberg betroffen, aber auch die 150 Beschäftigten bei der Fronberg Guss GmbH im bayerischen Schwandorf und 80 bei der Gienanth Zaigler GmbH in Kulmbach. Unberührt blieben die Firmenstandorte in Österreich und Tschechien sowie jener in Chemnitz, der im vergangenen Sommer einem Großbrand zum Opfer fiel und ohnehin nicht wieder aufgebaut werden sollte.

Welche Folgen hatte das Verfahren für die Mitarbeiter?
Seit November hat die Agentur für Arbeit die Gehälter der Gienanth-Beschäftigten bezahlt. Der 1. Februar war somit ein Schicksalstag für die Beschäftigten: Von da an müsste das Unternehmen selbst in der Lage sein, sein Personal zu bezahlen, ansonsten müsste es zumindest einen Teil seiner Beschäftigten freistellen. Es ist nun zwar auch in der Lage, das Gehalt wieder selbst auszuzahlen – zu einem Stellenabbau wird es aber trotzdem kommen.

Wie begründet das Unternehmen den geplanten Personalabbau?
Der Personalabbau sei eine Entscheidung, die dem Unternehmen nicht leicht falle. „Wir wissen, dass hinter den betroffenen Beschäftigten immer eine Familie oder ein persönliches Schicksal steht. Dennoch ist dieser Schritt notwendig, um den verbleibenden Kolleginnen und Kollegen weiterhin eine Sanierungsperspektive bieten zu können“, wird der Generalbevollmächtigte für die Unternehmenssanierung Jürgen Erbe in einer Pressemitteilung von Gienanth zitiert, und weiter: „Insbesondere der Bereich Maschinenformguss bleibt eine Herausforderung.“ Da dieser in Eisenberg angesiedelt ist, wird das Stammwerk von diesem Personalabbau wohl am härtesten betroffen sein.

Um wie viele Arbeitsplätze geht es?
Das lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beziffern. „Zu den genauen Bedingungen und dem Umfang dieser Anpassungen werden wir jetzt in Gespräche mit dem Betriebsrat in Eisenberg einsteigen, um die konkreten Maßnahmen herauszuarbeiten und einen Interessensausgleich und einen Sozialplan zu verhandeln“, so Erbe. Laut Pressesprecher Ingo Schorlemmer sollen die Gespräche in der kommenden Woche beginnen. Ende offen.

Wurden die Mitarbeiter schon informiert?
Zusammen mit Jürgen Erbe von der Kanzlei Schultze & Braun informierten die beiden Gienanth-Geschäftsführer Torsten Stein und Stephan Vrublovsky in den vergangenen Tagen die rund 1000 Mitarbeiter am Unternehmenssitz in Eisenberg sowie an den Standorten Schwandorf und Kulmbach in Belegschaftsversammlungen über den aktuellen Stand des Verfahrens. „Dabei ging es diesmal nicht in Eisenberg los, sondern in Fronberg, dann war Kulmbach an der Reihe. Die Mitarbeiter dort sollten nicht das Gefühl bekommen, als letzte informiert zu werden“, so Schorlemmer. Eisenberg sei dann am Dienstag dran gewesen. Ihm sei gespiegelt worden, dass die Belegschaft die Nachricht gefasst aufgenommen habe und die Versammlungen sehr ruhig verlaufen seien, so Schorlemmer, der selbst aber nicht vor Ort war. „Die Belegschaft geht äußerst professionell und engagiert mit dieser Situation um“, wird auch Gienanth-Geschäftsführer Stephan Vrublovsky in der Gienanth-Mitteilung zitiert.

Aus dem Unternehmen ist zu hören, dass es kommende Woche noch eine Betriebsversammlung geben soll.

Das Amtsgericht Kaiserslautern hat am Donnerstag das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung für mehrere Gruppengesellschaften von Gienanth offiziell eröffnet. Welche Auswirkungen hat das auf den Geschäftsbetrieb?
Bislang keine. „Die Produktionsprozesse laufen in allen Gesellschaften wie gewohnt“, wird Gienanth-Geschäftsführer Torsten Stein in der Mitteilung zitiert.

Sind die Kunden bei der Stange geblieben?
In der Mitteilung heißt es: Eine seit Jahren stetig sinkende Abrufmenge hat dazu geführt, dass bei Gienanth Preisanpassungen notwendig wurden. Preissensible Kunden, hauptsächlich aus dem Automotivebereich, hätten daraufhin ihre Aufträge weiter reduziert. „Das betrifft auch Großkunden“, bestätigt Pressesprecher Schorlemmer auf RHEINPFALZ-Nachfrage. Das heiße aber nicht, dass solche Kunden ad hoc verloren gingen. Vielmehr schmelze das Auftragsvolumen, derlei Trends seien schon seit einiger Zeit zu beobachten, hätten sich aber verstärkt, da man seit November natürlich auch Preise erhöhen musste. Der eine oder andere Kunde habe Aufträge ins Ausland verlagert, energieintensive Unternehmen wie Gienanth stünden da unter einem enormen Konkurrenzdruck durch Gießereien aus Staaten, in denen Fertigungskosten deutlich geringer sind. Staaten aus Osteuropa beispielsweise.

Wie läuft die Investorensuche?
Das Unternehmen gibt sich optimistisch. Aus dem Werk ist zu hören, dass weltweit mehr als 100 potenzielle Investoren kontaktiert worden seien. Eine Zahl, die Sprecher Schorlemmer nicht kommentieren möchte. Er sagt aber: Mit der Resonanz sei man zufrieden. „Die Suche nach Investoren läuft und wird von der Unternehmensberatung Roland Berger professionell gemanagt. Wir führen Gespräche mit mehreren Interessenten, die sowohl an einer Übernahme der gesamten Gruppe als auch einzelner Gruppenteile interessiert sind“, wird Geschäftsführer Torsten Stein in der Mitteilung zitiert.

Nähere Einzelheiten zu den Interessenten könnten aufgrund von Verschwiegenheitsverpflichtungen und dem laufenden Prozess nicht gegeben werden. „Unser Ziel in den Verhandlungen ist es unverändert, die Standorte und möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten und das Unternehmen so aufzustellen, dass es gut gerüstet ist für die Zukunft“, so Stein. Man wolle so schnell wie möglich Klarheit schaffen.

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