Grünstadt Großes Maß an Brillanz

Heute, 19 Uhr, und morgen, 15 Uhr, wird in der protestantischen Kirche zu Kirchheim Rudolf Lutz’ Weinkantate zu Gehör gebracht. Wir waren bei den Proben dabei.

Der erste Eindruck täuscht gewöhnlich, so auch in diesem Fall. Irgendwie klingt die Musik nach Händel. Erinnerungen an den Einzug der Königin von Saba werden wach – und sind auch nicht ganz falsch. In jedem Fall hört man Händel heraus, das bestätigt auch Dominik Wörner, der Künstlerische Leiter des Kirchheimer Konzertwinters. Nur ist die Musik an den deutschen Komponisten, den die Briten so gerne als ihren Nationalkomponisten verehren, angelehnt. Es ist die Arie von Queen Angela, die beim Besuch in Kirchheim Station macht – ein Teil des Librettos der Weinkantate, in der sowohl fiktive, als auch real existierende historische und lebende Personen eine singende Rolle spielen. Bach – der als Gast auch in Kirchheim auftaucht – und auch Händel sind die musikalischen Väter der Musik, die allerdings Rudolf Lutz komponiert hat und die er in diesem Moment gerade mit einer der Sängerinnen und dem Bach-Konsortium probt. In der alten Kapelle, die 1747 erweitert wurde, sitzt das Ensemble, das sich der neuen Interpretation alter Musik verschrieben hat. Der Klang ist symphonisch, doch anders. Das liegt daran, dass bei der Weinkantate ausschließlich historische Instrumente zum Einsatz kommen, die Geigen sind etwas kleiner, gespielt wird nicht mit der Klarinette sondern mit der Chalumeau – zum Einsatz kommen in F und in C gestimmte Instrumente dieses Vorläufers der Klarinette. Schnell drängt sich der Eindruck auf, so muss Musik an den Fürstenhöfen früher geklungen haben, doch Rudolf Lutz ist mit einigen Passagen noch nicht zufrieden. „Stimmt die Intonation?“, fragt er Dominik Wörner, der in dieser Phase der Proben noch Pause hat. Wörner sitzt im Kirchenschiff und findet die Intonation untadelig. Lutz ist dennoch nicht zufrieden, in englischer Sprache wendet er sich ans Orchester, korrigiert, erklärt, stimmt sich mit Mezzosopranistin Elvira Bill ab. Die übrigens verfügt über einen sehr großen Tonumfang und brilliert in Höhen, die sonst den Sopranistinnen vorbehalten bleiben – allein ihre Arie wird an diesem Wochenende sicher ein Höhepunkt der Aufführung. Englisch wird gesprochen, da das Kirchheimer BachConsort sich aus einer bunten Mischung internationaler Interpreten zusammensetzt. Eine Japanerin spielt Flöte, ein Teil der Streicher kommt aus Ungarn, die Instrumentalisten mit den historischen Oboen aus den Niederlanden. Im Lauf des Nachmittags geht Lutz zunächst die Arie mit Elvira Bill durch, feilt an der abschließenden Kadenz. Danach stehen die Durchläufe für die Orchestersequenzen auf dem Programm, der Zuhörer bekommt einen Eindruck historischer Interpretationsweise, erlebten ein großes Maß an Brillanz. Teilweise klingt das BachConsort so, als nutze es moderne Instrumente, die viel zusätzliche Möglichkeiten bieten. Nach und nach treffen die Sänger ein, darunter der Interpret, der den Dorfpfarrer Herzer (gemeint ist hier der ehemalige Dekan Herzer, der auch in Kirchheim tätig war) gesanglich darstellt. Lutz geht über zu den Teilen, in denen der Chor (Kirchheimer Vokal Consort) zum Einsatz gekommt. Immer wieder springt der Komponist vom Cembalo auf, geht auf Abstand, prüft Intonation und Wirkung von Musik und Gesang. Zwischendurch dreht er die Sänger in Richtung Orchester: „Singt das einmal für uns“, weist er an. So erreicht er die Wirkung eines Monitors, die Musiker erleben direkt den Gesang, der Gesamtklang wirkt sofort dichter, abgestimmter, insgesamt feiner und gefühlvoller. Nach mehr als einer Stunde der Beobachtung hat sich die Musik verändert, Rudolf Lutz ist seiner Vorstellung der perfekten Uraufführung der Weinkantate ein Stück näher gekommen. Der Zuhörer darf sich auf die Konzerte freuen.

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