Grünstadt Hits in brütender Hitze

Sänger Dennis Wittberg (am Mikro) und seine Schellack-Solisten.
Sänger Dennis Wittberg (am Mikro) und seine Schellack-Solisten.

Es hätte ein ungetrübtes Vergnügen sein können, das Konzert von Dennis Wittberg und seinen Schellack-Solisten beim Göllheimer Kulturverein, aber brütende Hitze im verschlossenen Saal machte den Aufenthalt im Haus Gylnheim ziemlich unangenehm. Das wirkte sich auch auf das Musikprogramm aus: In der zweiten Hälfte, als etwas Luft hereingelassen worden war, musizierte das Ensemble flüssiger, munterer und schwungvoller als am Anfang.

Im Jahr 1929 sorgte in Berlin ein Stummfilm mit Harry Liedke und Marlene Dietrich für Aufsehen. Denn mittendrin öffnete der vorher tonlos gestikulierende Harry Liedke seinen Mund und sang zu aller Überraschung den Schlager der Saison „Ich küsse Ihre Hand, Madame“ – so schön wie der weltberühmte Tenor Richard Tauber. Kein Wunder, denn man spielte einfach die von Tauber besungene Schallplatte ab. So gut wie Tauber kann`s Dennis Wittberg nicht; gleichwohl nahm man seine Version der Handküsse mit Vergnügen an. Ein Jahr später plapperten und musizierten die meisten Spielfilme schon von Anfang bis Ende; die ersten Tonfilmschlager sind bis heute Evergreens. Mit dem witzigen „Mein Bruder macht beim Tonfilm die Geräusche“ erinnerten die Schellack-Solisten an diese Zeit. Es sind neun Herren und eine manchmal singende Geigerin aus Mainz, und ihr Programm an diesem Abend pendelt durch die Jahre vor und nach 1930, überraschend ergänzt durch Schlager der „Neuen deutschen Welle“ der 1980er Jahre, deren textliche und musikalische Substanz den Transport in die Rhythmen und Arrangierweisen einer 50er Jahre älteren Jazzkapelle überstand. Die Arrangements sind farbig und abwechslungsreich, die Kapelle – vier Bläser, eine Rhythmusgruppe mit Kontrabass und Klavier und die versierte Sologeigerin – musiziert präzise, schwungvoll und klangschön, und Dennis Wittbergs gesangliche Fähigkeiten sind zwar nicht unbegrenzt, er weiß sie aber geschickt einzusetzen und erzielt vom beiläufigen ironischen Sprechgesang bis zur großen Gebärde schöne Wirkungen. So paradieren sie denn alle vorüber: Leonello Casuccis „Schöner Gigolo“ mit dem vorzüglichen Text von Julius Brammer erst als Tango, dann in der späteren verjazzten Version, „Salome, schönste Blume des Morgenlands“ in einem prachtvollen, exotischen Arrangement, so als dirigiere Marek Weber persönlich, aber auch, amüsant in der nasalen Vortragsweise der 30er Jahre, der „Skandal im Sperrbezirk“ oder Falcos „Kommissar“. „Mama“, letztmals 1967 von Heintje in die Charts gekickt, aber viel älter, kehrt als Rumba zu Benjamino Gigli zurück. All das sind, ebenso wie „Wenn die Elisabeth nicht so schöne Beine hätt`“ von Robert Katscher und Karl Farkas, und der „Kleine grüne Kaktus“, beides besonders flott und fein ausgearbeitet gebracht, noch heute Ohrwürmer, die Dennis Wittberg klugerweise mit – na ja – fast so guten Titeln mischte, die seither weithin vergessen wurden: „Mein Hund beißt jeder schönen Frau ins Bein“ oder „Max der spielt so schön Klavier“. Am Ende, verdient: Jubel, Applaus.

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