Grünstadt Kein Sport für Rotwein trinkende Rentner

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An diesem Wochenende reisen vier Spieler der Haardtbouler der TSG Grünstadt ins bayerische Furth im Wald zur Deutschen Meisterschaft im Pétanque. Für drei von ihnen, die Brüder Karlheinz und Klaus Ritter sowie Heinrich-Peter Hmielorz, ist es das erste bundesweite Turnier. Qualifiziert hat sich das Trio, ebenso wie Natalino Mastrobattista, der jetzt zum dritten Mal an einer DM teilnimmt, im August in Flörsheim-Dalsheim.

Der 69-jährige Vereinsmeister italienischer Herkunft wird mit Peter Frech und Achim Quintel vom TSV 1882/1921 Flörsheim-Dalsheim antreten, die anderen drei als Mannschaft. Insgesamt sind 128 Teams für die DM in der Kategorie Triplette 55+ gemeldet. „Das ist die Königsdisziplin unserer Sportart“, sagt Klaus Ritter über die Variante, bei der jeder Spieler nur zwei Kugeln hat. In dieser Formation werden auch Europa- und Weltmeisterschaften ausgetragen. Da müsse man sich auf eine gemeinsame Strategie einigen. Die Frage sei, ob man eher darauf setzt, sehr gut zu legen – so nah wie möglich an die Zielkugel, die Wutz, heran – oder ob man besser die gegnerischen Kugeln wegzuschießen versucht. Oft gehe es um wenige Millimeter. „Eine Partie kann rund zweieinhalb Stunden dauern“, erzählt Mastrobattista, eine zeitliche Begrenzung gebe es nicht. „Man schaukelt sich mit dem Gegner Punkt für Punkt hoch“, ergänzt Hmielorz. Gewonnen hat das Team, das zuerst 13 Punkte für sich verbuchen kann. Ein ehrgeiziges Ziel haben sich die vier nicht gesteckt. „Der 50. Platz wäre schon toll“, meint Karlheinz Ritter. Das „vordere Drittel“ findet Abteilungsleiter Bernd Freyland erstrebenswert. „Aber es ist schon ein Erfolg, wenn das A-Turnier erreicht wird“, hofft er darauf, dass die TSG’ler auch am zweiten Wettbewerbstag noch im Rennen sind. Dafür müssen sie im B-Wettkampf am Samstag mindestens zwei von drei Begegnungen für sich entscheiden. Etwa 2006 kamen die Ritter-Brüder und Hmielorz zur TSG, wo vor rund zwölf Jahren die Bouleabteilung gegründet wurde. 2011 stieß Mastrobattista, der von den anderen als „Superleger“ gelobt wird, dazu. Der Kindenheimer, der Grünstadter, der Obersülzer und der Wormser lieben vor allem die Bewegung an frischer Luft, die Kameradschaft und den Spaß. „Gegenwärtig haben wir etwa 40 Mitglieder zwischen 49 und 81 Jahren, davon sind ungefähr 30 aktiv“, berichtet Freyland. Der Vorteil dieser Sportart sei, dass man sie auch im hohen Alter und mit körperlichen Einschränkungen, sogar im Rollstuhl, ausüben könne. „Ich kann mit meiner kaputten Hüfte nichts anderes machen“, sagt der 73-jährige Klaus Ritter, der früher gekickt und gekegelt hat. Sein Bruder (61) und Hmielorz (62) spielten in der Vergangenheit Tennis. Leider habe Boule keinen guten Ruf, so Freyland. Das Klischee male ein Spieler-Bild vom rauchenden, Rotwein trinkenden Rentner in Badelatschen. Dabei gebe es sehr strenge Regeln – und sogar Dopingkontrollen. Auch seien durchaus jüngere Leute dabei – nur nicht in Grünstadt. Die Vereine mit größeren Abteilungen wie zum Beispiel in Ludwigshafen hätten keine Nachwuchssorgen, denn da brächten die Aktiven ihre Kinder mit. Da das leicht zu erlernende Kugelspiel einerseits nahezu von jedem Menschen ausgeübt werden kann, sich andererseits aber auch als Präzisionssportart auf höchstem Niveau absolvieren lässt, wird diskutiert, ob Pétanque ab 2024 als olympische Disziplin anerkannt sein soll. Dreimal wöchentlich trainieren die vier TSG’ler, die kürzlich in die Bezirksliga aufgestiegen sind, auf dem Boule-Platz im Rudolf-Harbig-Stadion. Einen Coach brauchen sie dazu nicht. „Wir sind Naturtalente“, erklärt Hmielorz augenzwinkernd. Laut Freyland ist aber geplant, im Herbst einen professionellen Trainer zu engagieren. Bislang wird weder für die jährlich etwa zehn Pflichtturniere speziell geübt noch für die DM. „Das Ergebnis hängt von vier Faktoren ab“, analysiert Hmielorz: Bodenbelag, Gegner, Glück und Tagesform. Klaus Ritter zuckt die Achseln: „Auf jeden Fall werden wir nach unserer Rückkehr aus Bayern um etliche Erfahrungen reicher sein.“

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