Grünstadt Kinder des Südens

Zum Abschluss des Kirchheimer Konzertwinters singen Sibylla Rubens und Dominik Wörner das italienische Liederbuch von Hugo Wolf. Begleitet werden sie dabei vom Pianisten Simon Bucher. Das Konzert findet am Sonntag, 26. April, 17 Uhr, in der örtlichen protestantischen Kirche statt.

Der Meister war mit sich zufrieden, als er zwischen 1890 und 1896 – mit längerer Pause – die beiden Bände seines „Italienischen Liederbuchs“ vollendet und bei der Mannheimer Hofmusikalienhandlung Karl Ferdinand Heckel in Druck befördert hat. Sein „originellstes“ und „vollendetstes“ Werk nannte er den spätromantischen Liederzyklus. Ein Produkt jener Sehnsucht nach dem Süden, die gerade in jenen satten Jahren des Fin de Siècle viele Künstler des Nordens befiel und mit Visionen unmittelbaren, freien, sinnlich-liebenden Lebens befeuerte. Es sind der künstlerische Leiter des Kirchheimer Konzertwinters, der Bassbariton Dominik Wörner, und die Sopranistin Sibylla Rubens, die sich die 46 Lieder des Liederbuchs aufteilen, von dem vorzüglichen und sensiblen Pianisten Simon Bucher – das Stammpublikum schätzt auch ihn seit langem – am Klavier begleitet. Es ist beileibe keine trockene Kost: Die Texte – italienische Balladen, Lieder und Romanzen von Leopardi, Giusti und Carducci, die Paul Heyse übersetzte und bearbeitete, dabei wohl auch schwerer und bedeutungsvoller machen wollte – führen durch ganz Italien. „Überall dort locken verliebte junge Frauen, versprechen und sehnen sich nach Zärtlichkeit, provozieren schüchterne Jünglinge und wehren sich gegen großspurige Machos. Überall dort bringen romantische Romeos den angebeteten Schönen schwärmerische Serenaden, betrügen, verletzen und versöhnen sich.“ Diese Sätze gibt der Konzertwinter dem Programm mit auf den Weg. „Kinder des Südens“ hat Hugo Wolf seine Miniaturen genannt, seine Vertonungen sind zumeist Rollengedichte, die deutlich Frauen oder Männern zuzuordnen sind. So haben die beiden Interpreten die Lieder auch aufgeteilt. Opernhaft werden Leidenschaften gestaltet, es entfalten sich Minidramen. Spätromantische, an Wagner geschärfter Harmonik spürt den Seelenregungen nach. „Manches davon“, teilt der Konzertwinter mit, „ist Wolf ernster geraten als das Original gemeint war, da sich Heyse in seiner Übersetzung in der Wortwahl mitunter altdeutscher Klänge bedient. Doch statt brünstigem Pathos lauschte Wolf den Bekenntnissen Feuer, Witz und Zorn ab. Er versuchte dabei, weniger zu italienisieren als der Titel vermuten lässt. Somit haben beide Bände de facto kaum italienischen Charakter, vielmehr eine gehörige Portion deutscher Schwermut.“ Den Interpreten ist aufgegeben, „ein Wechselbad der Gefühle von frischer Verliebtheit über erste Enttäuschungen, Spott, Streit, Klage, Liebeskummer und Verlassenheit, eine intensiv gelebte, durchlittene und am Ende gescheiterte Liebe“, darzustellen. Sibylla Rubens gilt laut Veranstalter als fabelhafte Sopranistin, die an den großen Musikzentren der Welt auftritt und schon mit renommierten Dirigenten zusammenarbeitete. Sie studierte Konzert- und Operngesang. Gerühmt werden an ihr eine zu Herzen gehende Stimme, natürliche Ausstrahlung und höchste Perfektion. Dominik Wörner studierte Kirchenmusik, Musikwissenschaften, Cembalo, Orgel und Gesang und legte mit dem Gewinn des ersten Preises beim Internationalen Bach-Wettbewerb in Leipzig 2002 den Grundstein für seine internationale Karriere. Seine Leidenschaft gilt dem expressiv durchgestalteten Liedgesang. Auf über 50 CDs ist er zu hören. Simon Bucher ist als Solist, Improvisator, Liedbegleiter und Kammermusiker bereits in ganz Europa aufgetreten. „Bei Simon Bucher hat man den Eindruck, dass Musik im Moment neu entsteht. Es reift da eine Persönlichkeit heran, die zurückfindet zum Wesenhaften der Musik“, schrieb eine Berner Zeitung – ein Eindruck, den seine Konzerte in Kirchheim bestätigten.

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