Grünstadt Kraft trifft Kunst

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Sport und Kunst, das sind für gewöhnlich zwei Bereiche, die wenn, dann eher ungelenk miteinander verbunden werden. Man denke da an überdimensionierte Eröffnungsfeiern von Fußball-Weltmeisterschaften. Oder an die Zeit, zu Anfang des 20. Jahrhunderts, als Kunstwettbewerbe mal kurz olympisch waren: Von 1912 bis 1948 wurden Medaillen in den Kategorien Architektur, Literatur, Musik, Malerei und Bildhauerei vergeben. Alles nicht sehr überzeugend. Heute stehen sich Kunst und Sport oft konfrontativ gegenüber. Etwa, wenn es um finanzielle Förderung durch die öffentliche Hand geht. Dass Sport und Kunst aber auch ganz praktisch miteinander verflochten sein können, das hat sich am Mittwochabend in Tiefenthal gezeigt. Mehrere Stahl-Skulpturen lagen da im Hof von Wolfgang Thomeczek herum, manche groß, manche klein, allesamt schwer – und warteten darauf, in den Ausstellungsraum des Kunstkabinetts gewuchtet zu werden. Nun haben Wolfgang Thomeczek und seine Frau Veronika schon so einige (künstlerische) Schwergewichte in die Region befördert, die rund 350 Kilogramm schwere Skulptur „Ksarr“ war den beiden zu zweit dann aber doch zu schwer. Wie also diesen Stahl-Koloss von draußen nach drinnen schaffen? Die Antwort auf diese Frage bekam Wolfgang Thomeczek bei der RHEINPFALZ-Sportlerwahl, die er Ende März in Hettenleidelheim besuchte. „Als Kulturmensch gehöre ich zwar eigentlich nicht zur Zielgruppe. Aber man kann viel lernen“, so Thomeczek. Wissenswertes über die Gewichtheber des KSV Grünstadt beispielsweise, die nach ihrem letztjährigen Aufstieg in die Zweite Bundesliga bei dieser Preisverleihung als Mannschaft des Jahres ausgezeichnet wurden. „Wir haben dort am Tisch gesessen. Ich fragte mich dann, wieviel die KSVler wohl heben mögen. Wir überlegten: Wenn alle anpacken, sind das für jeden nur 25 Kilo“, erzählte Tiefenthals Ortsbürgermeister Edwin Gaub (CDU). Thomeczek verlor keine Zeit und fragte die Gewichtheber direkt, ob sie ihm bei seinem Gewichtsproblem wohl helfen könnten. Für die Grünstadter Athleten Ehrensache. Sie trommelten binnen weniger Tage zwölf Freiwillige zusammen und machten sich auf den Weg nach Tiefenthal – für eine ganz besondere Trainingseinheit. Recht schnell war das Stahlgebilde an seinen vorgesehenen Platz befördert. Auch weil John Attilo, der Trainer, seine Jungs fast wie beim Wettkampf dirigierte: „So. Jetzt alle zusammen!“ „Hat jeder ein bisschen Druck auf den Händen? Nicht nachgeben!“ Und: „Wer zieht die Rollen raus? Derjenige muss nichts weiter tun, als die Rollen raus zu ziehen!“ Antwort von Gaub: „Das klingt nach einem Job für mich.“ Dem Tiefenthaler Ortsbürgermeister war natürlich auch nicht die feine Ironie entgangen, die der ganzen Aktion innewohnte. „Die Mannschaft des Jahres aus Grünstadt trägt den Robert Schad auf Händen. Das freut mich als Tiefenthaler. Die Grünstadter hätten ihn auch auf den eigenen Kreisel tragen können“, so Gaub augenzwinkernd. Zum Hintergrund: In Sausenheim gab es lange Zeit Diskussionen darüber, ob man den dortigen Verkehrskreisel mit einem Kunstwerk Schads schmücken könnte. Am Ende entschied man sich dort gegen „Sausenheimer“, also den Entwurf des renommierten internationalen Künstlers – und für eine Lösung des Bad Dürkheimer Bildhauers Mathias Nikolaus. Die Debatte hatten damals auch die Grünstadter Gewichtheber mitbekommen, allen voran John Attilo, der in Sausenheim wohnt. Er, so sagte er, könne ganz gut mit der jetzigen Lösung leben. Robert Schad hätte ihm aber auch gefallen, gab er sich diplomatisch. „Wenn man sich das Kunstwerk länger betrachtet, dann fällt einem auf, wieviel Arbeit da reingeflossen sein muss. Wieviel Mühe sich der Künstler gegeben hat“, sinnierte er. Der Schlossermeister hatte natürlich auch einen genauen Blick auf die Verarbeitung geworfen, immer wieder auch die Statik überprüft. „Das müsste halten. In Frankreich hat es ja auch schon gestanden.“ Stolz war der Grünstadter Coach, dass so viele seiner Athleten hier freiwillig mit dabei gewesen sind. „Das ist schon eine ganz besondere Truppe. Der eine oder andere ist sogar extra nach der Arbeit aus Sausenheim hierher gelaufen.“ „Wir haben es sehr gerne gemacht“, sagte Gewichtheber Sebastian Eich. Weil alle an einem Strang gezogen hätten, sei das Tragen gar nicht so schwer gefallen, wie vielleicht vorher vermutet. Eich: „Aber anspruchsvoll war es schon, es sollte und durfte ja nichts kaputtgehen.“ Es ging nichts kaputt. Am Ende bugsierten die Grünstadter Kraftpakete nicht nur den großen Stahlkoloss, sondern auch kleinere Exponate in den Ausstellungsraum. Und je mehr dieser Gestalt annahm, desto mehr wurde das Interesse an der Kunst geweckt. „Das ist schon eine tolle Sneak Preview hier für uns. Wahrscheinlich wird sich der eine oder andere von uns die Ausstellung dann auch mal ansehen“, sagt Abteilungsleiter Axel Wenz. „Die Stahlzeit hat begonnen. Meine Frau und ich sind froh, dass wir ein Riesenproblem gelöst bekommen haben. In großen Museen macht das ein Gabelstapler“, frohlockte Wolfgang Thomeczek. Ganz umsonst haben sich die Grünstadter am Ende die Mühe nicht machen müssen, wie er verriet: „Sie bekommen eine Spende aufs Konto und ich werde ganz diskret fragen wie es mit dem Abbau Ende Juni funktioniert ...“

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