Grünstadt Mit blauem Auge davongekommen

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Mit diesem blauen Auge sind weite Teile der Region gestern davongekommen. Der Dauerregen in der Nacht auf Montag in Verbindung mit den von den Niederschlägen der Vortage bereits vollgesaugten Böden hatten die Pegel von Alsenz, Moschel, Appel- und Wiesbach sowie zahlreicher Zuflüsse rasch anschwellen lassen. Während sich im oberen Appel-, im Moschel- und im Wiesbachtal die Lage gegen Mittag stabilisiert hatte, gab es im unteren Appel- und im Alsenztal erst im Laufe des Nachmittags Entwarnung. Vor allem entlang der Alsenz mit ihrem großen Einzugsgebiet werden die Höchststände traditionell später erreicht. Gestern wurden am Pegel Imsweiler – Normalstand zirka 75 Zentimeter – 2,78 Meter gemessen, flussabwärts in Altenbamberg wurden statt der 80 Zentimeter vom vorigen Freitag 3,33 Meter registriert. In Alsenz hatte die Feuerwehr VG-Wehrleiter Klaus Vögtle zufolge die Spundwände bereits aufmontiert – letzten Endes ist das Wasser wenige Zentimeter unter dem Aufsatz „stehen geblieben“. Dagegen hat es ein paar Kilometer weiter nördlich die Gemeinde Hochstätten im Kreis Bad Kreuznach schlimm erwischt: Hier wurden zwei Häuser unterspült, viele Gebäude standen unter Wasser, die Straßen waren überflutet. Zwar hat es natürlich bis zum Abend noch keine vollständige Aufstellung über Schäden gegeben. Die dürften aber – nicht zuletzt dank des großen Einsatzes Hunderter Feuerwehrleute und freiwilliger Helfer – dem ersten Anschein nach relativ glimpflich ausfallen und nicht mal ansatzweise die Dimension der Flutkatastrophen im Moschel- und Appeltal von 2014 erreichen. Dennoch: In einigen Dörfern hatten die Bewohner auch gestern wieder mit immensen Wassermassen zu kämpfen. Das galt allen voran für Sankt Alban, Oberhausen, Münsterappel und Niederhausen. In „Delwe“ war laut Ortschefin Petra Becher nicht nur die L 400, sondern gleich „das halbe Dorf“ überflutet. Im tiefer gelegenen Bereich rund um die Kirche hätten die Helfer zeitweise „knietief“ im Wasser gestanden, das sich gestern Morgen „rasend schnell“ großflächig bis zu einer Höhe von 50 Zentimetern ausgebreitet habe. „Land unter“ herrschte auch zwei Dörfer flussabwärts in Oberhausen: „Die Appel sieht aus wie ein 50 Meter breiter Fluss“, berichtete Ortsbürgermeister Thomas Dinges am Vormittag. Das Wasser, das die parallel verlaufende L 400 sozusagen unsichtbar gemacht hat, war über die Ufer getreten und hat das 130-Seelen-Dorf regelrecht zweigeteilt. Schätzungsweise bis zu einem Meter hoch habe die braune Brühe gestanden, so Dinges. Zahlreiche Gebäude seien betroffen – darunter auch welche, die nach der Flut von 2014 erst frisch renoviert wurden. „Heute Morgen hat eine Familie sogar zu mir gesagt: Uns stinkt es jetzt, wir ziehen wieder weg“, so Dinges. Im Gegensatz zu anderen Orten hatte sich die Lage in Oberhausen bis zum Nachmittag keineswegs entspannt: Er traue sich wegen der starken Strömung nicht, die wegen des momentanen Neubaus der Appelbachbrücke errichtete Behelfsbrücke zu überqueren, sagte Dinges gegen 15.30 Uhr. Da die örtliche Feuerwehr die östlich der Appel gelegenen Grundstücke nicht erreichen konnte, mussten die Kollegen aus Kriegsfeld und Gaugrehweiler, die über einen Feldweg gekommen waren, aushelfen: Sie haben am „anderen Ufer“, an dem auch der Gutenbach übergelaufen war, damit begonnen, Keller auszupumpen. Derweil machten sich Anwohner bereits an die mühselige Reinigung der verschlammten Straßen und Höfe. In Münsterappel und Gaugrehweiler hatte die Appel ebenfalls ihr Bett verlassen, auch hier mussten Keller vom Wasser befreit werden. Auf rund 15 Meter habe das Gewässer im Münsterappeler Hohlweg, wo der Grundbach in die Appel mündet, seine Breite ausgedehnt, berichtet Wehrleiter Vögtle. In Niederhausen war einmal mehr der Bereich um die Dorfgemeinschaftshalle – und nicht zuletzt deren Keller – in Mitleidenschaft gezogen. Glimpflich davon gekommen sind im Oberen Appeltal Marienthal, Gerbach und Würzweiler – mit Ausnahme des Campingplatzes (siehe „Zur Sache“). Von Einsätzen auf dem Hanauerhof sowie dem überschwemmten Bahnübergang in Dielkirchen berichtete der stellvertretende Rockenhausener Wehrleiter Guido Brunck. In der VG Winnweiler mussten die Wehren laut Wehrleiter Robert Blanz am Zusammenfluss von Lanzen- und Lohns-bach in Wartenberg-Rohrbach, an mehreren Gebäuden in Münchweiler, an der katholischen Kita in Winnweiler und auf dem Schmitterhof tätig werden. Auch sind mit Hilfe eines Abschleppunternehmens vom Winnweilerer Bahnhofsparkplatz Autos umgesetzt und vorm Wasser in Sicherheit gebracht worden. Die Feuerwehren waren seit den frühen Morgenstunden fast in der ganzen VG Alsenz-Obermoschel im Einsatz. Im Moscheltal war die Ortsdurchfahrt von Finkenbach-Gersweiler überflutet, da die Betonverrohrung des Mehrbachs mit Ästen und Geröll verstopft war und die Wassermassen von der Schmittweilerer Höhe nicht mehr in die Moschel abfließen konnten. Die Wehr und ein örtlicher Bauunternehmer sorgten mit einem Bagger für die nötige Reinigung. Schlammpumpen wurden an gefährdeten Häusern platziert, Keller mussten aber keine ausgepumpt werden. Die Straße zwischen Finkenbach und Schiersfeld musste zeitweise wegen Überflutung gesperrt werden. In der Ortsmitte Waldgrehweilers waren bereits durch Rückstau der Abflüsse und den steigenden Grundwasserspiegel am Sonntagabend zwei Keller von Wohngebäuden einige Zentimeter hoch voll Wasser gelaufen, wurden aber privat leergepumpt. Die Pegel von Ransenbach und Moschel waren wieder gefährlich hoch angestiegen. Nach den Regenfällen der Nacht blieben gegen 6.30 Uhr gerade noch 45 Zentimeter Platz bis zum Übertritt der Moschel auf die Ortsdurchfahrt. Dank des nachlassenden Regens war der Hochwasserstand seit dem Vormittag jedoch konstant bis ganz leicht rückläufig. (kra/tnt)

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