Grünstadt Oscar-Verleihung zur Primetime

Zwischen der am Rednerpult befestigten Filmklappe und der überdimensionalen Filmrolle an der Bühnenwand sind am Mittwochnachmittag in der Bad Dürkheimer Salierhalle Oscars verliehen worden. Empfänger waren Absolventen des Leininger-Gymnasiums (LG) Grünstadt, die eine Rolle – oft auch mehrere – besonders engagiert gespielt haben. 111 junge Menschen erhielten unter dem Motto „20:15 – Abitur zur Primetime“ ihre Zeugnisse der Allgemeinen Hochschulreife.

Treffender könnte der Leitgedanke nicht formuliert sein, lobte Oberstudiendirektorin Cornelia Diehl, die zur besten Sendezeit die Protagonisten begrüßte. Als vor genau 50 Jahren die ersten 13 Jungen und drei Mädchen erfolgreich die Prüfungen für den höchsten deutschen Schulabschluss am LG ablegten, sei die unmittelbare Zukunft zumindest für die männlichen Abiturienten klar geregelt gewesen: 18 Monate Wehr- oder Ersatzdienst. „Heute stehen Sie mehr als Ihre Eltern und Großeltern vor der Qual der Wahl“, so Diehl und mahnte mit einem Zitat des einstigen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker: „Die Freiheit ist kein Geschenk, von dem man billig leben kann, sondern Chance und Verantwortung.“ Sie äußerte die Hoffnung, dass aus den Gymnasiasten mündige Bürger geworden sind, die sich im Kant′schen Sinn des eigenen Verstandes bedienen. Trotz unterschiedlicher Sendeplätze hätten die „Moderatoren der 45-minütigen Quizshows“ die Schüler auf verschiedenen Kanälen erreicht. „Nun verlassen Sie den Tatort LG und entdecken Abenteuer Leben neu“, meinte Diehl. Zum Glücklichsein müsse man nicht Germanys next topmodel werden. Die Lehrer hätten die Abiturienten auch nicht neun Jahre gecastet und gecoacht, damit sie sich in irgendeinem Dschungelcamp verlieren. Sie gab ihnen auf den Weg: „Vergessen Sie nicht neben der Vita aktiva die Vita contemplativa.“ „Wir werden die Freiheiten genießen in dem Land, wo Milch und Honig fließen sowie Spiegel über den Waschbecken hängen“, kündigten Paul Feldmann und Johannes Kühner in ihren launigen Abschiedsworten der Absolventen an. Sie hätten zwar keine Ahnung von Hauswirtschaft und Steuern, doch sie hätten gelernt: Wenn das Geld knapp wird, lohnt sich immer ein Kuchenverkauf. Auch Engagement und Durchhaltevermögen zahlten sich aus, spielten sie auf die alljährlichen 24-Stunden-Schwimm-Aktionen für die Sanierung des Lehrschwimmbeckens an, wodurch sie nach Auflösung des zu diesem Zweck gegründeten Fördervereins letztendlich eine Kletterwand erhielten. Die beiden nannten in ihrer mit Filmzitaten gespickten Rede viele Beispiele positiver Entwicklungen am LG, insbesondere auch, dass die Schulgemeinschaft gestärkt worden sei. Eltern und Lehrer hätten sich bemüht, den Gymnasiasten gleichzeitig Wurzeln und Flügel zu verleihen, erklärte die Schulelternbeiratsvorsitzende Barbara Wiemann und riet: „Lasst euch nicht von Konventionen einengen, zeigt Mut zu Veränderungen, glaubt an euch, denn die Zukunft ist euer Format.“ Im Namen des Fördervereins gratulierte der Zweite Vorsitzende Fabian Müller zu dem „bemerkenswert konservativen“ Abi-Motto, auch wenn die Primetime kein erstrebenswerter Eintrag im Terminkalender sei. Dass die Pfalz leider chronisch unterrepräsentiert sei in Funk und Fernsehen, könne sich dank junger Leute, die sich im kulturellen Bereich engagieren, ändern. Müller übergab an Paul Feldmann, dessen Rollenprofil beeindrucke, einen Oscar für dessen „geschehenes und noch zu erwartendes Lebenswerk“. Der 19-jährige Mertesheimer, der sich auch stark am Abifeier-Programm beteiligte, nahm vom Ersten Kreisbeigeordneten Claus Potje zudem den Preis für Toleranz und Mitmenschlichkeit entgegen, den der Landkreis erstmals aus seiner Kulturstiftung verlieh. Premiere hatte auch eine Auszeichnung der Fachschaft Geschichte, die an Theresa Gilcher ging. Insgesamt bekamen zwölf Abiturienten einen Oscar für besondere Leistungen und herausragenden Einsatz, wobei Maria Spethmann dreifach abräumte: als Jahrgangsbeste (Zeugnisdurchschnitt 1,0), als Mathematikgenie und überdurchschnittlich begabte Chemikerin. (abf)

x