Grünstadt Sanftes Multitalent mit Seltenheitswert

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Freundlich hält die gelbe Kuh Blickkontakt. Helles Fell um Augen und Maul, perfekt nach unten geformte Hörner verleihen ihr Charme. Ist halt ein echtes Glanrind, eins wie im Bilderbuch. Dass es heute im 21. Jahrhundert lebt, ist nicht selbstverständlich. Die für unsere Region ganz typische Rasse war fast ausgemerzt und gilt noch immer als stark gefährdet. Aktuell trägt das Glanrind den Titel „Gefährdete Nutztierrasse 2016“.

Flocke, so heißt die freundliche Kuh, lebt auf dem Hofgut Neumühle in Münchweiler an der Alsenz. In der Lehr- und Versuchsanstalt des Bezirksverbandes Pfalz hilft die stellvertretende Einrichtungsleiterin Monika Reimann den Glanrindern seit 1992. Sie will das Aussterben der alten Nutztierrasse verhindern. Angefangen hat es mit einer Kuh, mittlerweile steht hier eine kleine Mutterkuhherde mit 21 Kühen plus Nachzucht und zwei Bullen im Deckeinsatz. Bei den Bullen steht neben dem Anteil des Glanblutes und dem Aussehen ein umgänglicher Charakter im Fokus der Züchtungen. „Die Bullen laufen mit der Herde auf der Weide, da muss der Landwirt ungefährdet dazwischen können“, führt Reimann aus. Auch im Landkreis Kaiserslautern erfährt die Rasse Schützenhilfe. Seit 2003 zieht von Mai bis in den Herbst ein Teil der Glanrinder aus Münchweiler ins Karlstal. Und das mit gutem Grund. Die Tiere sollen das Tal offenhalten und dabei mit ihren Füßen möglichst wenig Flurschaden hinterlassen. Am Ende der Weidesaison leisten dann die menschlichen Feinschmecker ihren Beitrag zum Erhalt des Glanrindes. „Ohne Vermarktung des Fleisches kann keine Rasse am Leben erhalten werden“, erklärt Reimann. Nur wenn es die Nachfrage nach dem Fleisch gebe, könne die Stückzahl der Tiere ausgeweitet werden. Bis dahin leisten die Tiere als Landschaftspfleger ganze Arbeit. Nun sind Rinder in den Tälern des Pfälzerwaldes nichts Neues. Die robusten schottischen Galloways oder Hochlandrinder sind gerade im Landkreis Kaiserslautern schon lange ein vertrautes Bild. „Warum den Job nicht an eine regionale Rasse vergeben“, war die Überlegung von Monika Reimann vor dem ersten Weideaustrieb. Es hat sich bewährt. Knapp zehn Jungtiere kümmern sich, unter der Aufsicht einer Altkuh, seitdem darum, das Karlstal als solches zu erhalten – offen und lichtgeflutet. Das Glanrind ist als Landschaftspfleger prädestiniert. Liegt es den Tieren doch im Blut, sprich in den alten Genen, sich durch eine futterdankbare Genügsamkeit hervor zu tun. „Früher war das Glanrind bei den Bauern als robuste, anspruchslose Rasse sehr geschätzt“, blickt Reimann in die Hochzeit der Rasse zurück. Noch 1960 war das Glanrind mit 400.000 Tieren die am meisten verbreitete Rinderrasse in den Mittelgebirgslagen im Rheinland, in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Vor allem auf kargen Böden wurden sie geschätzt. Die Kühe lieferten auch bei Futtermangel noch rund 3000 Kilo Milch pro Jahr und zogen prächtige Kälber groß. Fleisch lieferten sie zudem in ausreichender Menge und in hervorragender Qualität, und ein ganz großes Plus: das Glanrind kam auf einem kräftigen Fundament mit festen Klauen daher, willig, sich vor den Pflug oder den Karren spannen zu lassen. Mit der Technisierung erübrigte sich das Zugrind. Zudem war der Mensch besessen von immer mehr Leistung. Die Kuh hatte viel Milch zu geben, 10.000 Liter und mehr! Auf der anderen Seite war der Fleischberg auf Hufen, etwa die Limousin, gewollt. Ein Glanrindbulle erreicht zwar auch ein Gewicht von über 1000 Kilo, aber erst im gesetzten Alter. Das bedeutete sein Ende. Erst ab 1981 wurde wieder das Augenmerk auf die Glanrinder gerichtet. Bundesweit gab es da noch 25 Tiere! Heute umfasst die im Züchterverband eingetragene Population gut 800 Kühe und rund 100 Bullen. „Die Ernennung als gefährdete Nutztierrasse wird dem Fortbestand des Glanrindes dienen“, ist Monika Reimann froh über die Wahl. Info Von heute an bis zum 20. März finden wieder die Donnersberger Glanrinderwochen statt. Teilnehmende Gastronomien bieten vom Cheeseburger über Rumpsteak und Roulade bis zur Maultasche das zarte, aromatische Fleisch. Mehr unter www.pfalz.de.

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