Grünstadt Sozialstation verlangt Extra-Gebühr fürs Sockenanziehen: Das sind die Gründe

Nimmt im Einzelfall nicht viel Zeit in Anspruch, summiert sich aber, wenn man es auf alle Klienten und den Monat hochrechnet: So
Nimmt im Einzelfall nicht viel Zeit in Anspruch, summiert sich aber, wenn man es auf alle Klienten und den Monat hochrechnet: Sockenanziehen im Pflegedienst.

30 Euro im Monat allein für das Anziehen von Socken? Dass die Ökumenische Sozialstation Grünstadt eine neue Gebühr einführt, hat Betroffene verärgert. Nun erklären die Chefs der Einrichtung, wie sie auf den Betrag gekommen sind und wofür genau er bezahlt werden muss.

Kassiert die Ökumenische Sozialstation in Grünstadt jetzt 30 Euro mehr pro Monat für Sockenanziehen? Diesen Eindruck hat ein Informationsschreiben der Evangelischen Diakonissenanstalt Speyer, des Trägers der Sozialstation, bei manchen Empfängern hinterlassen – und damit für einigen Unmut gesorgt. Eine Frau aus der Verbandsgemeinde Leiningerland etwa meint: Es sei doch lächerlich, für so etwas extra Geld zu verlangen. Und sie äußert die Befürchtung: „Demnächst wird noch die Öffnung der Tür oder der Treppenaufstieg berechnet.“

Anruf beim Chef

In einem Fall ist der Ärger auch beim Sozialstations-Leiter Jörg Gaißer angekommen. „Es hat mich eine Angehörige einer Klientin angerufen und nachgefragt“, erzählt er. „Sie meinte, dass die Zusatzkosten von 30 Euro pro Monat für eine Zwei-Minuten-Tätigkeit – mehr werde sicher nicht zum Sockenanziehen benötigt – doch übertrieben seien.“ Also habe er ihr geklärt, dass es nicht nur um zwei Minuten gehe. Und er habe ihr erläutert, wofür genau die Zusatzkosten überhaupt berechnet werden.

Denn: Wer eine ärztliche Verordnung für Kompressionsstrümpfe hat, bekomme diese auch vom Personal angezogen. Auf Kassenleistung und ohne Zuzahlung – daran werde nicht gerüttelt, versichert Gaißer. Und Carolin Defland, die betriebswirtschaftliche Leiterin der Sozialstation, berichtet: Es gibt Klienten, die praktisch nur Hilfe beim Anziehen der Kompressionsstrümpfe brauchen und sonst ihren Tagesablauf noch selbstständig gestalten können. „Aber es gibt auch die Klienten, die morgens und abends zusätzliche Hilfe beim An- und Ausziehen von Socken, Strumpfhosen und Schuhen brauchen, und da helfen wir dann auch.“

Zehn Minuten pro Tag

Die zusätzlichen Kosten bezögen sich genau darauf, sagt Gaißer. Er rechnet vor: Pro betroffener Person würden für solche Aufgaben rund zehn Minuten pro Tag benötigt. Hochgerechnet auf die Woche seien das mindestens 60 Minuten, im Monat also vier Stunden Mehrarbeit pro Klient. „Dafür haben wir einen Pauschalbetrag von 30 Euro berechnet“, berichtet der Leiter der Sozialstation. Er versichert: Damit solle die zusätzliche Arbeitszeit gar nicht vollständig finanziert werden. Man habe vielmehr einen Mittelwert gesucht, der für beide Parteien erträglich sei.

Carolin Defland und Jörg Gaißer von der Ökumenischen Sozialstation in Grünstadt.
Carolin Defland und Jörg Gaißer von der Ökumenischen Sozialstation in Grünstadt.

Außerdem sei vorher bei allen Klienten abgefragt worden, wer welche Hilfe in Anspruch nehmen wolle. Dann hätten die Klienten einen Kostenvoranschlag bekommen, und erst danach werde die gewünschte Leistung erbracht. Jeder Klient könne also frei wählen, welche zusätzliche Pflegeleistung er in Anspruch nehmen möchte – wie beispielsweise Körperpflege, Waschen oder auch das Anziehen von Socken und Strumpfhosen. So könne der Zeitplan entsprechend angepasst werden. „Hier und da mal fünf Minuten mehr, muss in der Tourenplanung wirklich berücksichtigt werden“, sagt er.

Was die Kasse zahlt

Laut Sozialgesetzbuch wird die Behandlungspflege durch Kassenleistung abgedeckt. Dazu gehören etwa das Messen des Blutzuckers oder des Blutdrucks, das Spritzen von Insulin oder die Arzneimittelgabe – sobald diese Leistungen ärztlich verordnet werden, werden die gesamten Kosten von der Krankenkasse bezahlt, unabhängig vom Pflegegrad. „Hier ist einzig und allein wichtig, dass die ärztliche Verordnung dafür vorliegt“, betont Defland.

Anspruch auf weitergehende Pflegeleistungen hat dagegen jeder, der mindestens Pflegegrad 2 hat, wobei mit höherem Pflegegrad auch die Leistungen der Pflegeversicherung höher ausfallen. Zu den Pflegeleistungen der gesetzlichen und privaten Versicherungen gehören: Pflegegeld, Pflegesachleistungen, Kombinationsleistungen, Leistungen für die stationäre Pflege, Entlastungsbetrag, Pflegehilfsmittel, Verhinderungspflege, Kurzzeitpflege, Tages- und Nachtpflege, Umbaumaßnahmen für Barrierefreiheit, Digitale Pflegeanwendungen, Pflegeberatung, Pflegekurse, Beratungseinsatz, Pflegeunterstützungsgeld, Soziale Sicherung der Pflegepersonen, Wohngruppenzuschuss und die Anschubfinanzierung für Wohngruppen mit Pflegebedarf.

Defland sagt: „Alles, was von der Pflegekasse bezahlt wird, ist für den Patienten zuzahlungsfrei. Und zusätzliche Leistungen müssen besprochen werden, damit die Erwartungen hier gleich sind und auch entsprechend umgesetzt werden können.“

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