Grünstadt Strahlend klangprächtig

Krönender Abschluss: Die Solisten Anton Ljungqvist und Vera Steuerwald singen gemeinsam.
Krönender Abschluss: Die Solisten Anton Ljungqvist und Vera Steuerwald singen gemeinsam.

Zweifellos mehr Zuhörer verdient gehabt hätte am Samstag die Aufführung des zeitgenössischen Requiems von Fredrik Sixten in der Grünstadter Martinskirche. Die Evangelische Jugendkantorei der Pfalz brachte es zusammen mit der Cappella Istrapolitana Bratislava geradezu vollendet: ungemein leuchtend und strahlkräftig im Klang, bestens vorbereitet und in einer von Landeskirchenmusikdirektor Jochen Steuerwald nuancenreich und spannungsvoll ausgearbeiteten Interpretation.

Als passende Einleitung dient das berühmte Adagio für Streicher von Samuel Barber. Ruhige Streicherkantilenen, die jenseitig wirken, fesseln von Anfang an. Schon die ersten Orchestertakte zeigen eine hochkonzentrierte Musikerschar, die das ganze Konzert über in jedem Moment aufmerksam, präzis, verlässlich und wandlungsfähig im Ausdruck bleibt. Klarste Intonation, steigende Innenspannung und ausdifferenziert: Was Steuerwalds ausdrucksstark dirigierende Hände von den Musikern wollen, das führen sie auf. Dieses Adagio, eigentlich verspätete Spätromantik, kann durchaus öde sein; hier bleiben aber keine Wünsche offen. Fredrik Sixten, 1962 in Schweden geboren, gehört vor allem durch seine Chor-Orchesterwerke zu den bekanntesten skandinavischen Komponisten der Gegenwart. Er verwendet eine Tonsprache, die an Gustav Mahler anknüpft, so als habe es Arnold Schönberg und die Folgen nie gegeben. Seine Musik ist sofort verständlich, dabei einfallsreich und durchaus komplex. Der lateinische Text der Totenmesse, den er vertont, legt die Verwendung von der traditionellen Gregorianik inspirierter Melodiemodelle nahe. In einem frei rezitativischen Duktus werden den uralten lateinischen Worten moderne Ausdeutungen in schwedischer Sprache beigefügt, die der Dichter und griechisch-orthodoxe Priester Bengt Pohjanen verfasst hat. Angst und Zorn des Menschen angesichts des Todes werden in Hoffnung und Trost aufgehoben – das ist immer wieder der Duktus dieser glaubensvollen Musik, die Sixten unter dem Erlebnis des Todes seines Freundes Patrick Runecke geschaffen hat. Eine schöne Einführung boten die dem Programmheft beiliegenden einführend-deutenden Worte Jochen Steuerwalds zu den einzelnen Sätzen. Der Komponist war bei Aufführung und Generalprobe dabei und offensichtlich sehr zufrieden. Dumpfes Pochen der Pauken, aus dem Takt geratenden Herzschlag symbolisierend, eröffnen das Werk, scharf-schweifende Streicherfiguren legen sich darüber. „Unser Leben ist vergänglich“, singt der Chor. Ein ernster, beeindruckender Satz. Im Kyrie führt der Bariton beredte, aufbegehrende Klage, bis er sich den liturgischen Worten des Chors anvertraut. Anton Ljungqvist macht das großartig, mit den Raum sonor füllender Stimme, wuchtig und dabei doch schlicht. Der Orchestersatz bedient sich spätomantischer Mittel, wo er dramatisch ist, erinnert er an Kino-Science-Fiction-Musik, doch alles ist mit großem Ernst und gestalterischer Intensität gesetzt und realisiert. Die Jugendkantorei macht reine Freude. Kräftig klar strahlende Soprane, herrlich sonore Altpartien erfreuen. Auch der Tenor (Sorgenkind vieler Chöre) leuchtet kraftvoll; der Bass ist sich seiner Tiefen sicher. Insgesamt zeigt sich die Jugendkantorei bestens vorbereitet, sie beherrscht das musikalische Material souverän, kann sich ganz der Verwirklichung der gestalterischen Signale Steuerwalds widmen. Die Kapelle ist stets präzise, klanggewaltig und klar präsent. Beides fügt sich bestens zusammen, die Klangbalance ist vorzüglich, und bei allem Reichtum an lauten Passagen, etwa in dem geradezu knalligen Sanctus, fehlt es nicht an Feinabstufung der Lautstärken. Über breitem Orchestersatz trägt Vera Steuerwald das Pie Jesu vor, in großem Bogen, expressiv, so wie es zweifellos den Intentionen der Partitur entspricht, eingebettet in ein großromantisch hymnisches Schwelgen. Geradezu raffiniert leitet Sixten über in das im Gegensatz dazu in seinen Klangmitteln zurückgenommene Agnus Dei: ein fein ausgeführter, subtiler A-cappella-Satz von herber Schönheit. Ohne Instrumentenbegleitung zeigt die Jugendkantorei einmal mehr, wie vorzüglich sie zu klingen und zu singen versteht. Im letzten Satz wirken beide Solisten, Chor und Orchester erstmals zusammen. Dann ist der Jubel des Publikums groß. Zweifellos verdient.

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