Grünstadt Streitbarer „Entjammerer“

Basis des Konzerts: Texte und Melodien aus dem ausgehenden Mittelalter von Sigefridus.
Basis des Konzerts: Texte und Melodien aus dem ausgehenden Mittelalter von Sigefridus.

„Eins bleibt festzuhalten: Wir haben es hier mit einem berühmten Ebertsheimer zu tun, der für die Kirchenmusik im ausgehenden Mittelalter eine herausragende Rolle gespielt hat.“ So bringt Ebertsheims Ortsbürgermeister Bernd Findt die Nachforschungen zu Cornelius Sigefridus auf den Punkt. Als 44-Jähriger war er um das Jahr 1600 herum als Prediger nach Ebertsheim gekommen und hat hier in den folgenden Jahren 122 geistliche Lieder komponiert und 63 Psalmen vertont. Für Musikwissenschaftler ist Sigefridus also kein unbeschriebenes Blatt. Für den Ebertsheimer Heimatforscher Peter Scherer sogar ein aufgeschlagenes Buch. Seit einem halben Jahr hat Scherer unzählige Stunden in Archiven verbracht, um das Leben und Wirken des Sigefridus zu erforschen. „Als Mensch war er gewiss ein nicht einfacher Charakter“, bilanziert Scherer sein mehrmonatiges intensives Quellenstudium. Die ehrenamtlich tätigen Rentner Scherer und Eberhard Krezdorn kümmern sich in Absprache mit Findt immer mal wieder „projektbezogen“ um Themen in der Ebertsheimer Historie. Das Sigefridus-Forschungsprojekt geht eigentlich auf den Musikwissenschaftler Klaus Winkler zurück. Als Leiter des Heidelberger Renaissance-Ensembles „I Ciarlatani“ hatte er die in Ebertsheim wohnende Sopranistin Ute Kreidler mit einem Sigefridus-Gesangbuch und den Worten überrascht: „Schau mal, wer da früher noch in Ebertsheim gewohnt hat.“ Schnell war beschlossene Sache, dass das auf mittelalterliche Musik spezialisierte Ensemble ein Konzert mit Werken des Ebertsheimer Komponisten in der Kirche seines Heimatortes gibt. Doch damit nicht genug: Als Findt vom Komponisten Sigefridus hörte, sollte Scherer möglichst viel über den im Dorf bislang völlig unbekannten Ebertsheimer Sohn herausfinden. Die Ergebnisse haben Scherer, Findt und Kreidler nun im Gespräch mit der RHEINPFALZ präsentiert. Cornelius Sigefridus wurde im Jahr 1556 in Zweibrücken geboren. Sowohl sein Vater, ein gelernter Schreiner, als auch seine Mutter – diese dann im Armenhaus – sind früh gestorben. Mit bereits mit zwölf Jahren war die außerordentliche musikalische Begabung des Sigefridus dem Herzog von Zweibrücken in der „deutsch Kinderschul“ aufgefallen: Sigefridus wurde als Stipendiat in die Herzoglich-Zweibrückische Lateinschule im ehemaligen Benediktinerkloster Hornbach aufgenommen. Nach seinem Studium trat er 1577 eine Stellung als Schulmeister in Zweibrücken an und heiratete „Helhansen Tochter“, die allerdings früh im Kindbett starb. Weitere Stationen waren Duchroth (Kreis Bad Kreuznach), Grünstadt und Sausenheim, ehe er 1591 nach Wattenheim in die Grafschaft Leiningen-Westerburg kam. Schon damals legte sich Sigefridus mit der Landesregierung an, weil er neben einem neu eingesetzten calvinistischen Pfarrer, lutherischen Gottesdienst in Wohnungen abhielt. Die Zwistigkeiten zwischen den gräflichen Brüdern aus Zweibrücken und Leiningen waren wohl auch die Ursache dafür, dass der überzeugte Lutheraner Sigefridus seine Pfarrstelle in Wattenheim und als Hofprediger auf der Burg Altleiningen verloren hat – 1594 wurde er trotz aller Bitten nach Grünstadt versetzt. Vermutlich die Pest forderte dort das Leben seiner zweiten Gattin Barbara. Das Jahr 1597 war ein ganz wichtiges im Leben des Sigefridus. Zum einen heiratete er seine dritte Frau Veronika Margaretha Hendel aus einer wohlhabenden Wormser Krämerfamilie. Zum anderen lernte er seinen Schwager Schlatt kennen. Denn der damalige Wormser Ratsherr und spätere Bürgermeister wurde zum Förderer des Komponisten. Ohne Schlatts Geld wäre der Druck seiner Kirchengesänge, Psalmen und geistlichen Lieder in den Jahren 1602, 1604 und 1607 wohl nicht möglich gewesen. Im Jahr 1600 hatte Sigefridus die Pfarrei in Ebertsheim übernommen – die Liederbücher hat er also auch dort verfasst. „Vermutlich sogar im Kutscherhaus“, sagt Ute Kreidler und meint damit das alte Gebäude auf dem Gelände der alten Papierfabrik, das an die Mauer des Kirchhofs grenzt. „Dort könnte Sigefridus viele, viele Stunden über den Noten- und Textblättern gesessen haben. Mit seinen für die Zeit besonders frischen Melodien hat er wohl auch eine Vision verfolgt“ , mutmaßt die Expertin mittelalterlicher Musik. Nicht nur, dass seine Lieder – ganz in lutherischer Tradition – „ein jeglicher Christ mitsingen“ konnte. Auch wurde Sigefridus in der Fachliteratur nicht umsonst als „Entjammerer der Kirchenmusik“ tituliert. Dass er auch in Ebertsheim kein Jammerlappen war, belegen zwei von Scherer gefundene Hinweise auf Gerichtsverfahren. Einmal ging es um die Höhe des Zehnts, den ein Schäfer abzugeben hatte. Ein anderes Mal hatte er Gemeindemitglieder als Säue bezeichnet. Dieser streitbare Charakterzug des Sigefridus muss nicht unbedingt untypisch für einen echten Ebertsheimer sein. Das weiß nicht nur Findt.

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