Kolumne „Leininger Nachlese“ Test am Sonntag: Klappt in Bockenheims Kirche, was auch im Dom funktioniert?

In der Bockenheimer Martinskirche wird am Sonntag ein Naturschauspiel erwartet.
In der Bockenheimer Martinskirche wird am Sonntag ein Naturschauspiel erwartet.

Wie ein RHEINPFALZ-Podcast über den Speyerer Kaiserdom die Idee für eine ganz besondere Morgenandacht an diesem Sonntag in der Bockenheimer Martinskirche brachte.

Wussten Sie schon, dass der Speyerer Dom und die Bockenheimer Martinskirche etwas gemeinsam haben? Also nein: Kaiser und Könige sind in Bockenheim keine begraben, nur ein paar Leininger Grafen. Einen Bischof gibt es auch nicht und Helmut Kohl schleppte auch nicht Gorbatschow, Mitterrand und Bush nach dem Saumagenessen in die Martinskirche. Nein, die Gemeinsamkeit liegt woanders – das hoffe ich zumindest. Doch lassen Sie mich das von vorn erzählen.

Für die RHEINPFALZ produziere ich seit etwa einem Jahr einen Podcast über den Speyerer Dom. Am Montag ist die erste Folge erschienen. Sie können den Podcast mit dem Titel „Die Kathedrale der Kaiser“ kostenlos auf rheinpfalz.de/dom hören oder auf den gängigen Podcast-Plattformen wie Apple Podcasts oder Spotify.

Timo Benß hat einen Podcast über den Speyerer Dom produziert.
Timo Benß hat einen Podcast über den Speyerer Dom produziert.

In der ersten Folge des Podcasts begebe ich mich zunächst auf einen Rundgang durch den Kaiserdom mit Dombaumeisterin Hedwig Drabik. Sie zeigt dabei die Ergebnisse der Renovierungsarbeiten in der Vorhalle und erklärt anhand des Epitaphs Rudolf von Habsburgs, wie man als Denkmalpflegerin herausfinden kann, woher ein Stein stammt.

Danach geht es viel um Mystik, die man in dem 1000 Jahre alten Gebäude erleben kann. Domdekan und Domkustos Christoph Maria Kohl spricht dabei über seine Lieblingsorte im Dom und wie die Erbauer der Kathedrale die Gesetze der Natur nutzten, um einen Ort der Mystik zu erschaffen.

Das Licht kommt aus dem Osten

Besonders mystisch ist es im Speyerer Dom zweimal im Jahr, nämlich zur Tag-und-Nacht-Gleiche. Das sind jene Tage im Frühjahr und im Herbst, zu denen der Tag gleich lang wie die Nacht ist. Das klingt erst einmal nicht so spannend. Die Besonderheit ist aber dabei, dass an diesen beiden Tagen die ersten Sonnenstrahlen am Morgen jeweils genau im Osten zu sehen sind.

Die meisten Kirchen – so auch der Speyerer Dom – sind geostet. Das heißt, der Altar steht im Osten und alles ist darauf ausgerichtet. Dahinter steckt eine Menge christlicher Symbolik. Aus dem Osten kommt das Licht, denn dort geht die Sonne auf. Und im Evangelium sagt Jesus: „Ich bin das Licht der Welt.“ Das Licht hatte bereits für die frühen Christen eine große Bedeutung. Und heute noch spielt das Licht – etwa bei der Osterkerze – eine große Rolle.

In Speyer wird das Licht vom Oculus auf das Hauptportal strahlen.
In Speyer wird das Licht vom Oculus auf das Hauptportal strahlen.

Im Speyerer Dom ist hinter dem Altar eine Apsis, also ein halbkreisförmiger Chorraum. In dieser Apsis ist ein rundes Fenster, der sogenannte Oculus. Am Tag der Tag-und-Nacht-Gleiche leuchtet das Morgenlicht durch das Oculus auf die gegenüberliegende Eingangstür. In der Regel begehen die Katholiken in Speyer dieses Phänomen mit einer Morgenandacht, begleitet von Musik und Meditation. Im Zuge meiner Podcast-Recherchen durfte ich das miterleben – und es war wahrhaft mystisch.

Klappt das auch in Bockenheim?

Nun ist es so: In meiner Freizeit spiele ich selbst Orgel in meiner Heimatgemeinde in Bockenheim. Und dieses Jahr fällt die Tag-und-Nacht-Gleiche auf einen Sonntag. Also habe ich mir mal im Satellitenbild angeschaut, wie unsere Martinskirche so ausgerichtet ist – und siehe da: Sie steht im exakt selben Winkel wie der Speyerer Dom. Außerdem gibt es auch ein Fenster in der Mitte des Chorraumes im Osten. Funktioniert dieses Naturschauspiel also auch bei uns? Kann man in einer kleinen protestantischen Dorfkirche das selbe erleben wie in der größten romanischen Kirche der Welt? Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Aber wir werden es sehen.

Am Sonntag um 7 Uhr darf ich also den Sonnenaufgang in der Bockenheimer Martinskirche auf der Orgel musikalisch begleiten. Dann werden wir sehen, ob das Licht genauso mystisch den Kirchenraum erhellt wie im Speyerer Dom. Der Sonnenaufgang ist um 7.14 Uhr. Pfarrerin Ute Metzger wird dazu Worte und Gebete sprechen. Wer davor noch kurz in der stillen Kirche innehalten will: Die Martinskirche ist ab 6.30 Uhr geöffnet.

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