Grünstadt Verkehrssicherheitstag: Warum der Organisator enttäuscht ist

Wer ist schneller an der Reaktionswand? Julia Krieger (vorn) im Wettbewerb mit Gerlinde Sandmeier.
Wer ist schneller an der Reaktionswand? Julia Krieger (vorn) im Wettbewerb mit Gerlinde Sandmeier.

Beim 1. Grünstadter Verkehrssicherheitstag haben interessante Erfahrungen auf die Besucher gewartet: Es gab jede Menge Stationen zum Mitmachen, die unter anderem Erkenntnisse zu den Auswirkungen eines Rauschs lieferten. Wie der Andrang war und wovon der Organisator enttäuscht ist.

Grünstadt. Im Von-Ketteler-Ring ist ein roter Teppich ausgerollt. Er ist 14 Meter lang. Das ist exakt die Länge des Wegs, den ein Autofahrer bei Tempo 50 im Blindflug zurücklegt, wenn er am Lenkrad eine Sekunde auf sein Handy schaut. Beim 1. Grünstadter Verkehrssicherheitstag am Samstag unter dem Motto „Jung + sicher = E(r)-fahren“ wird theoretisches Wissen praktisch vor Augen geführt, um den Besuchern Dinge vor Augen zu führen, die sich anders nicht unbedingt aufdrängen.

Mit großem Elan hat Jürgen Kemp, pensionierter Polizeihauptkommissar und Vorsitzender der Kreisverkehrswacht Bad Dürkheim-Nord, Parcours für Pedelecs, E-Scooter und Elektro-Kettcars aufgebaut sowie Kooperationspartner gesucht, die sich mit diversen Stationen beteiligen. Erklärtes Ziel des Verkehrssicherheitstags: die Anzahl der Unfälle zu senken, die vor allem mit strombetriebenen Zweirädern enorm zunehmen. Das Problem: Die Nutzer unterschätzen die Kraft der elektrischen Hilfsmotoren.

Bürgermeister Klaus Wagner (CDU) nennt das neue Format vor dem Hintergrund der zunehmenden Verkehrsdichte eine „tolle Aktion“ und dankt Kemp für sein Engagement. Auch der Verwaltungschef der Verbandsgemeinde Leiningerland, Frank Rüttger (CDU), lobt das Event, mit dem für Gefahren sensibilisiert werden soll. Ein drastisches Anschauungsobjekt ist das „Unfall-Denk-mal“ des Vereins zur Verhütung von Verkehrsunfällen aus Alsheim: ein Anhänger, auf dem ein Audi 80 drapiert ist, der sich um einen Baumstamm gewickelt hat, sowie ein altes Krad. Die Fahrzeuge sind die Original-Überreste von zwei Unfällen, die für drei Menschen den Tod bedeuteten.

Schwammiges Lenkrad im Fahrsimulator

Die Benutzung des Parcours für die E-Mobile erlaubt Kemp „schon aus Versicherungsgründen“ nur mit Helm. Er sagt achselzuckend: „97 Prozent aller Menschen schützen ihr Smartphone mit einer Hülle, aber nur 18 Prozent aller Radler ihren Kopf mit einem Helm.“ Eine 47-Jährige fasst sich ein Herz und steigt in den Smart des Bundes gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr (BADS). Steffen Sandmeier vom BADS-Landesverband Rheinland-Pfalz erläutert: „Das ist ein Simulator für eine Fahrt mit 0,8 Promille: Das Lenkrad ist schwammig, die Bremse langsamer und das Neblige rechts und links symbolisiert den Tunnelblick.“ Die Software sei ziemlich realitätsnah und werde auch von Fahrschulen verwendet. Überdurchschnittlich gut schnitten diejenigen ab, die eine Playstation haben, weiß der Standbetreuer.

118 Treffer bei drei Fehlern ist das Ergebnis, das der 17-jährige David an der Reaktionswand erzielt. In 16 Feldern ploppen abwechselnd bunte Lampen auf und die Aufgabe besteht darin, in einer Minute möglichst viele davon auszuknipsen. „Die Agilitywall kommt vor allem in Schulen sehr gut an“, erzählt Gerlinde Sandmeier. Davids Ehrgeiz ist geweckt. Er steigert sich von Mal zu Mal und schafft schließlich 140 Punkte bei einem Fehler, was spitze ist. Allerdings: Der Jugendliche spielt regelmäßig Autorennen auf dem PC und er hat auch nicht die Rauschbrille aufgesetzt, die einen Blutalkoholspiegel von 1,1 Promille simuliert. „Nicht zuletzt sind jüngere Leute grundsätzlich schneller“, sagt Sandmeier.

Mimmo Scarmato, der mit seinem CDU-Ortsverband neben der DLRG schwarze Bratwürste grillt, meistert die Wand nüchtern fehlerfrei mit 101 Treffern, im „Rausch“ sind es nur noch 79 Punkte bei 16 Fehlern.

Persönlich in den Schulen geworben

„Ernüchternd“ findet es der 57-jährige Andreas Bayer, dass er mit 0,8 Promille offensichtlich Probleme hat, auf Linien zu laufen. Diese Erfahrung konnte er vor dem Streifenwagen von Diana Stawowy, Kemps Nachfolgerin als Verkehrserzieherin bei der Polizeiinspektion Grünstadt, machen. Seine Tochter Ida (14) kommt etwas besser mit dem Parcours zurecht. Insgesamt trifft die Präventionsveranstaltung, die noch mit unterhaltsamen Aufführungen umrahmt ist, nur auf einen geringen Zuspruch. „Es wurde auf allen Kanälen geworben, ich war persönlich an jeder Schule und Fahrschule; auch hab ich Jugendorganisationen angesprochen“, erzählt Kemp. Ob es am Wetter lag oder einfach kein Interesse bestand?

Enttäuschend war auch, dass einige Programmpunkte weggefallen sind. Kemp ist es zum Beispiel nicht gelungen, einen Überschlagssimulator zu bekommen. Der DRK-Ortsverein hat wegen Personalmangels einen Rückzieher gemacht, die Freiwillige Feuerwehr Bockenheim-Kindenheim, die noch Kirchheim und Obrigheim mit ins Boot holen wollte, hat erst auf Nachfrage am Veranstaltungstag abgesagt und die Modellflieger des Luftfahrtvereins Grünstadt und Umgebung konnten ihre Vorführungen nicht machen, weil sie nicht über Personen hinwegsausen dürfen.

Ob es einen „2. Grünstadter Verkehrssicherheitstag“ geben wird, steht aktuell in den Sternen.

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