Grünstadt „Von Anfang an wird deutsch gesprochen“

„Sind Sie verheiratet?“, möchte Elisabeth Walter-Echols vom Syrer Mahmoud Karkora wissen. Er schaut sie fragend an. Die Lehrerin setzt nach: „Haben Sie eine Frau?“ Jetzt versteht der 37-Jährige und erzählt, dass seine Gattin in ein paar Tagen mit drei seiner vier Kinder in Frankfurt landen wird. 100 Unterrichtsstunden umfasst der Sprachkurs für Flüchtlinge der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) „anderes lernen“, Ebertsheim, in der Stadtmission Grünstadt.

Zweimal wöchentlich für jeweils drei volle Zeitstunden treffen sich dort rund 20 Asylbewerber, um erste Wörter und Sätze auf Deutsch zu lernen. Zusätzlich üben sie mittwochs im Café der Begegnung das Reden der ihnen vollkommen fremden Sprache. Dafür kommen sie ohne Auto unter anderem aus Eisenberg, Offstein, Altleiningen und Monsheim. Die Dozentinnen Walter-Echols und Doris Best, unterstützen ihre erwachsenen Schüler, indem sie Fahrgeld aus eigener Tasche beisteuern. Ebenso wie LAG-Geschäftsführer Harry Hellfors, der in einer der letzten Stunden als Beobachter dabei ist. Schließlich wird der für die Teilnehmer kostenlose Lehrgang „Willkommen in Rheinland-Pfalz“ mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds, dem Bundesamt für Migration sowie aus dem rheinland-pfälzischen Integrationsministerium finanziert. Er zeigt sich mit dem Ergebnis zufrieden, ja sogar beeindruckt. „Man muss bedenken, dass diese Menschen ganz ohne Vorkenntnisse waren. Beim Eingangstest können sie in der Regel kein Wort deutsch“, sagt er. „Wir sprechen aber von Anfang an deutsch“, versichert Walter-Echols. Zu Beginn stehe die Begrüßung auf dem Programm, am Ende die Körperteile für den Arztbesuch. „Nach den 100 Stunden können sich die meisten einigermaßen im Alltag zurechtfinden“, sagt die promovierte Literaturwissenschaftlerin und Sprachpädagogin, „sie können nach dem Weg und der Uhrzeit fragen, ein Schild mit Öffnungszeiten lesen, einkaufen und zum Doktor gehen.“ A1-Niveau, das Ziel von Integrationskursen, hätten die Teilnehmer dann jedoch noch nicht erreicht. Das können sie auch nicht erwerben, denn diese Seminare sind anerkannten Asylbewerbern vorbehalten. Allerdings bietet die LAG Aufbaukurse für die besonders guten Schüler an. Der nächste startet Mitte Juni. Laut Hellfors gibt es landesweit 85 Sprachschulungen für Flüchtlinge. „Das sind viel zu wenige. Wir erwarten in diesem Jahr 20.000 neue Asylbewerber“, beschreibt er ein drängendes Problem. Oft seien die Einwanderer traumatisiert. Hilfe bei Psychotherapeuten sei ihnen verwehrt, weil sie sich nicht verständigen könnten. Die seit langem anhaltenden Grenzstreitigkeiten mit Äthiopien, die fehlende Pressefreiheit und Menschenrechtsverletzungen haben Mensur Abdella Mentay aus Eritrea vertrieben. Der 27-jährige Lehrer würde gern arbeiten, „aber man braucht Geduld“, sagt er. Seit einem Jahr wartet er auf seine Aufenthaltsgenehmigung. Bereits im Oktober 2013 kam Houria Nayebi in Stuttgart an. Die dreifache Mutter, die in Afghanistan 23 Jahre lang im Ministerium für Transitverkehr zuständig war, träumt von einem Job im Krankenhaus oder in einer Kita. Bislang darf die 46-Jährige in der Bundesrepublik jedoch maximal Ein-Euro-Jobs annehmen, weil ihr Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Bei Syrern dauert es nicht so lange. Als Mahmoud Karkora mit dem Sprachkurs begann, hatte er noch kein Bleiberecht. Inzwischen ist er der einzige anerkannte Teilnehmer, obwohl er erst seit acht Monaten hier ist. „Dafür bin ich Deutschland sehr dankbar“, betont er. Der Maschinenmechaniker, der mit seinem ältesten Sohn in einer kleinen Sozialwohnung in Grünstadt lebt, sucht nun dringend ein größeres Domizil. „Wenn meine Frau mit unseren anderen drei Kindern kommt, wird es zu eng“, erklärt er, und man kann ihn einigermaßen verstehen. (abf) INFO Der Fortgeschrittenen-Sprachkurs für Flüchtlinge beginnt am Montag, 15. Juni, um 14 Uhr. Anmeldung und Näheres bei Harry Hellfors, Telefon 06359/83409, E-Mail: hellfors@t-online.de.

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