Grünstadt Von der Trompete an die Hantel

Heute tritt Axel Wessolek vom KSV Grünstadt bei den Deutschen Meisterschaften der Masters an. Seine Vereinskollegin Petra Keßler
Heute tritt Axel Wessolek vom KSV Grünstadt bei den Deutschen Meisterschaften der Masters an. Seine Vereinskollegin Petra Keßler-Löwenstein geht dort ebenfalls an die Hantel.

«Grünstadt.» Bei den gerade stattfindenden Deutschen Meisterschaften der Masters im Gewichtheben im baden-württembergischen Obrigheim will der 50-jährige Axel Wessolek vom KSV Grünstadt heute wieder nach einer Medaille greifen. In der Masters-Klasse treten ausschließlich Athleten ab 35 Jahren an.

Als er am Dienstagabend mit 20-minütiger Verspätung in der Trainingsstätte des KSV eintrifft, wirkt er gut gelaunt. Doch das ist keine Selbstverständlichkeit. Denn Wessolek kommt von einer Zwölf-Stunden-Schicht und hatte kaum Zeit zum Schlafen. „Gestern waren es gerade mal zwei Stunden, heute ein bisschen mehr. Aber ich fühle mich gut“, sagt der in Gera geborene und in der DDR aufgewachsene Lkw-Fahrer mit einem Lächeln. Bis sein Sportlehrer ihn zum Gewichtheben schickte, spielte Wessolek Trompete im Fanfarenzug. „Ich konnte richtig gut Trompete spielen. Als ich in der Schule zum Gewichtheben geschickt wurde, dachte ich mir nur: Wieso ausgerechnet Gewichtheben?“, erinnert er sich genau, obwohl das mittlerweile fast 40 Jahre her ist. Doch sein Lehrer schien eine besondere Intuition gehabt zu haben. Schnell stellte sich Wessoleks Talent heraus. Auch seine Eltern unterstützten die neue Leidenschaft ihres Sohnes: „Ich konnte noch so viele Fehler machen, meine Eltern hätten mir niemals das Training verboten.“ Mit einem Eigengewicht von 31,4 Kilogramm bestritt er am 15. Februar 1981 seinen ersten Wettkampf. Es folgten etliche Titel, unter anderem die fünfmalige Mannschaftsmeisterschaft mit Wismut Gera und ein dritter Platz bei den Einzelmeisterschaften der DDR. „Ich glaube, wenn wir alle Trophäen sammeln würden, wäre dieser Raum bis obenhin voll“, erzählt seine Tochter stolz. Nach dem Mauerfall trat er für den KSV Worms an. „Wir waren eine gute Oberligamannschaft, doch für die Zweite Bundesliga hätte es nicht gereicht. Dennoch kam ein Wechsel trotz vieler Angebote für mich nie in Frage, da ich dem KSV Worms viel zu verdanken habe“, sagt Wessolek. Im Alter von 35 Jahren gewann er 2002 bei seiner allerersten Teilnahme die Europäischen Meisterschaften der Masters in Stockholm. Für den KSV Grünstadt startet Wessolek seit September 2009, nachdem er am Ende der letzte Gewichtheber des KSV Worms war, bevor die Abteilung komplett aufgelöst wurde. Trotz seines Alters hat er bis vor ein paar Jahren noch Wettkämpfe für die Erste Mannschaft der Grünstadter bestritten. „Was die Jungs und Mädels im letzten Jahr geschafft haben, ist herausragend. Ich bin super stolz auf sie“, sagt er strahlend und erklärt weiter: „Die Motivation, weiter zu machen, zieht man aus der Jugend. Wären sie nicht da, würde ich mir das nicht mehr antun. Doch es ist schön zu wissen, dass man ab und an mal gebraucht wird.“ Beim KSV sind alle froh über die Ratschläge ihres Veteranen. Bei den Deutschen Meisterschaften wird Wessolek heute um 16.30 Uhr starten. Die Vorbereitung verlief allerdings nicht optimal. Vor vier Wochen hatte er einen Arbeitsunfall, als beim Abladen eine Palette auf seinem Fuß landete. „Das setzte mich zwei Wochen außer Gefecht, und ich merke es immer noch“, sagt er. „Immer zu den Deutschen Meisterschaften passiert so etwas. Entweder man ist krank, hat Stress auf der Arbeit oder bekommt keinen Urlaub. Es kam auch schon vor, dass ich von der Nachtschicht direkt auf den Wettkampf gefahren bin.“ Doch obwohl er kaum trainieren konnte, will er unbedingt mit einer Medaille im Gepäck nach Hause kommen. Ans Aufhören denkt der Familienmensch noch lange nicht: „Solange Tipps und Ratschläge gefordert werden, bin ich gerne bereit, mein Wissen und Können zu teilen. Das sportliche Niveau und das Interesse am Gewichtheben nehmen immer mehr zu. Das ist eine tolle Entwicklung. Solange ich einigermaßen schmerzfrei bin und es noch ganz gut aussieht, bleibe ich dabei. Ich schätze mal Minimum zehn Jahre.“

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