Heidelberg E-Scooter: Forscher fordert Eingreifen der Politik

„Hauptsächlich für Spaß-Fahrten benutzt“: E-Scooter.
»Hauptsächlich für Spaß-Fahrten benutzt«: E-Scooter.

Seit fünf Jahren sind sie auf deutschen Straßen unterwegs. Ihren großen Vorteil konnten E-Scooter seit ihrer Zulassung jedoch nicht ausspielen. Das liegt auch am Mobilitätsverhalten der Nutzer – aber nicht nur. Ein Heidelberger Wissenschaftler erklärt Zusammenhänge.

Sie sind wendig, flink und haben in den vergangenen fünf Jahren schon für viel Ärger gesorgt: Seit ihrer Zulassung für den Straßenverkehr im Sommer 2019 haben sich E-Scooter vor allem bei jungen Menschen etabliert. Der Physiker Julius Jöhrens spricht vor dem Hintergrund seiner E-Scooter-Forschung am Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu) von einem „Spaß-Verkehrsmittel“. Ein Großteil der Nutzung entfalle derzeit auf Freizeitaktivitäten oder touristische Zwecke. Auf diesen Lifestyle-Charakter setzten auch die Anbieter, die die E-Scooter bereitstellen.

Dafür sollen die Nutzer zahlen: „Bei E-Scootern handelt es sich um ein vergleichsweise teures Verkehrsmittel“, sagt Jöhrens. Kosten für Bike- und Car-Sharing, aber auch den Personennahverkehr fallen ifeu-Daten zufolge im Durchschnitt geringer aus. „Bei E-Scooter-Nutzern handelt es sich dementsprechend um eine relativ zahlungskräftige Gruppe“, sagt der Forscher. Diese Gruppe zeigt sich in den Daten vor allem als männlich, größtenteils jünger als 40 Jahre und häufig mit Universitätsausbildung.

Standorte mit Zielkonflikt

Beliebt sind die E-Scooter aber auch bei Touristen. „Da E-Scooter momentan hauptsächlich für Spaß-Fahrten benutzt werden, stellen Anbieter sie in Bereichen auf, wo es viel touristische Aktivität und Sehenswürdigkeiten gibt oder reges öffentliches Leben herrscht“, sagt Jöhrens. Gleichzeitig seien diese Bereiche in der Regel aber auch gut an den Nahverkehr angebunden – und genau darin liege ein Zielkonflikt.

Denn die Stärke der E-Scooter liege in ihrem potenziellen Beitrag zur sogenannten intermodalen Verkehrskette, erklärt der Forscher. Gemeint ist damit, dass Menschen auf verschiedene Verkehrsmittel zurückgreifen, um zu ihrem Ziel zu gelangen. Ersetzen etwa eine E-Scooter-Fahrt zu einer Haltestelle und eine anschließende S-Bahn-Fahrt eine Autofahrt, sei das für die Umwelt der „Goldstandard“, sagt Jöhrens. „In dem Moment, wo ein E-Scooter einen Autokilometer ersetzt, bringt das klimamäßig richtig viel“.

Weniger als jeder tausendste Kilometer

Allerdings sei das bisher nur bei jedem zehnten Kilometer zu beobachten, der mit einem E-Scooter zurückgelegt werde. Zur Einordnung: Gemessen am gesamten Personenverkehrsaufkommen in Deutschland wird weniger als jeder tausendste Kilometer mit einem E-Scooter gefahren.

Hinzu kommt: Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass E-Scooter in Innenstädten und an belebten Orten attraktiver sein könnten als das Zufußgehen oder Fahrradfahren. Werde stattdessen ein E-Scooter genutzt, falle der positive Umweltaspekt des Fahrzeugs weg.

Der Zielkonflikt zwischen profitorientierten Verleihfirmen und erhoffter Wirkung von E-Scootern benötige ein Eingreifen der Politik, sagt Jöhrens. Das Aufstellen von E-Scootern im öffentlichen Raum lasse sich etwa an die Bedingung knüpfen, sie auch in schlechter angebundenen Wohngegenden verfügbar zu machen.

„Krasses Beispiel Paris“

Ein Trend zu mehr Regulierung für E-Scooter-Anbieter zeige sich allemal: „Ein krasses Beispiel dafür ist Paris, hier wurden Verleihsysteme für E-Scooter komplett verboten“, sagt Jöhrens. Das Verbot trat im September vergangenen Jahres nach einer Volksabstimmung in Kraft. Konflikte zwischen Scooter-Fahrern und anderen Verkehrsteilnehmern haben auch deutsche Städte aktiv werden lassen. So versucht etwa Berlin mit mehr festen Parkstationen und Anbieter-Auflagen für patrouillierendes Personal wildparkenden E-Scootern Herr zu werden.

Angesichts steigender Unfallzahlen erarbeitet auch das Bundesverkehrsministerium neue Regeln für E-Scooter, die ab kommendem April zu mehr Verkehrssicherheit führen sollen. Laut Statistischem Bundesamt ist die Anzahl der E-Scooter-Unfälle mit verletzten Personen 2023 deutschlandweit auf 9425 Fälle angestiegen – 14 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Anzahl der Todesopfer verdoppelte sich im selben Zeitraum sogar von elf auf 22 Personen. Als Unfallursache registrierte die Polizei besonders häufig eine falsche Benutzung der Fahrbahn oder von Gehwegen, aber auch Alkoholeinfluss.

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