Kaiserslautern 80 Jahre und kein bisschen leise

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Kunst muss wohl doch irgendwie jung halten – anders ist es kaum zu erklären, dass Peter Haese bis heute in seinem Kandeler Atelier immer noch Bilder auf die große Leinwand wirft, die genauso wild, vital und sinnlich daherkommen wie die, die er vor 30 Jahren geschaffen hat. Dass der Künstler im November die 80 erreicht hat, kann man jedenfalls kaum glauben, wenn man seine Werke in so wunderbar konzentrierter Form vor Augen geführt bekommt wie jetzt ab Sonntag in einer Einzelausstellung im Mußbacher Herrenhof.

Wie von Haese seit Jahrzehnten gewohnt, gibt es natürlich auch in dieser Schau viel blankes Fleisch in ekstatischen Posen zu sehen – Brüste wie Melonen, leuchtende Nippel, pralle Pos, feiste Schenkel, besitzergreifende Finger und manchmal vielleicht noch ein bisschen mehr. So genau lässt sich das nicht sagen, denn Haese pflegt einen so expressiven, vieles in gestische Unbestimmtheit tauchenden Strich, dass man sich mitten ins Berlin der Neuen Wilden zurückversetzt fühlt. Dabei ist ein Bild wie etwa „Serena Matchwinner“ doch erst 2013 entstanden. Wenn man unbedingt möchte, kann man hier tatsächlich die bekannte Tennisspielerin erkennen, die gerade wieder die Australian Open gewonnen hat – obwohl Portraithaftigkeit sicher das letzte ist, was Haese interessiert. Seine „Dauer-Braut“ nennt der Künstler diese Figur, die auch noch in anderen neueren Bildern auftaucht, und er lässt durchblicken, dass es sich im Grunde um die Urform des Weiblichen schlechthin handelt, die ihn interessiert. Solche nicht eben dem landläufigen Schönheitsideal entsprechende Sexbomben, die ihre hemmungslose Sinnlichkeit gerne mit lustvoll aufgerissenen Mündern und animalisch gebleckten Zähnen demonstrieren, hat er nämlich schon gemalt, als die kleine Serena noch mit Kinderschläger in Compton, California, ihre ersten Schritte auf dem roten Sand machte. Damals dienten ihm stattdessen eine Badenixe an einem elsässischen Weiher wie in „Baggersee Baby“ oder auch mal ein Renoir-Gemälde wie in „Douce France“ als Inspirationsquellen. Sexualität und Kampf, Wollust und Gewalt, Lachen und Weinen sprechen aus diesen Bildern, wobei sich pikanterweise vieles im Kopf des Betrachters abspielt, der durch Titel wie „Kampfbräute“ oder „Schwarzfleisch“ allerdings auch in die entsprechende Richtung gelenkt wird. Man kann das Männerphantasien nennen, politisch inkorrekt finden und sich pikiert abwenden. Doch das Berserkerhafte, das Haese in all seinen Bildern an den Tag legt, hat eine brutale, atavistische, antizivilisatorische Note, die auch irgendwie beeindruckt. Subtil ist das sicher nicht, erinnert dafür aber irgendwie an Schopenhauers Welt des Willens: blinder, erkenntnisloser Lebensdrang, der sich in Fleisch und Muskeln manifestiert. Die Körperlichkeit muss dabei übrigens nicht zwangsläufig bei der Frau zu finden sein. Zum Bild „Rennen zu dir“ zum Beispiel habe ihn ein jamaikanischer Sprinter angeregt, erzählt Haese. Künstlerisch ist das alles erste Sahne: Die Wucht der exquisit kombinierten Farben, der kraftvolle, flächige Duktus – das hat etwas. Man spürt nicht nur in den wandfüllenden Großformaten, die in der Herrenhof-Kunsthalle ihre volle Wirkung entfalten können, sondern auch in den rund 30 Arbeiten auf Papier, die ebenfalls in Mußbach zu sehen sind: Die Lust am Körperlichen geht bei diesem Künstler, der ja ursprünglich Bildhauerei studierte, Hand in Hand mit der Lust an der großen malerischen Geste. Neben den expressionistischen Traditionen der deutschen Kunst fallen einem da auch Francis Bacon oder (in der Schonungslosigkeit des Blicks) Lucian Freud als Referenzen ein. Dass der 1936 in Berlin geborene Haese gerne freimütig bekennt, dass er an der Karlsruher Akademie einst mit Leuten wie Walter Stöhrer, Horst Antes und Dieter Krieg die Schulbank drückte, selbst aber immer nur zweite Garde geblieben sei, muss man deshalb nicht allzu ernst nehmen. Seinen Platz in der Kunstgeschichte hat dieser „eingemeindete“ Pfälzer Künstler längst sicher. Die Ausstellung Eröffnung morgen, Sonntag, um 11.15 Uhr. Bis 26. Februar. Öffnungszeiten: samstags 14 - 18 Uhr, sonntags 11 - 18 Uhr, mittwochs 18 - 20 Uhr.

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