Lautern gestern und heute Abschluss der Sommerserie: „In Lautern wird der Wein stromweise getrunken“

Der Kaiserslauterer Bahnhof (die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1912) ist im Krieg untergegangen, wurde zerstört.
Der Kaiserslauterer Bahnhof (die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1912) ist im Krieg untergegangen, wurde zerstört.

Wir gehen zum Bahnhof und verabschieden uns von Alt-Lautern, das wir über Sommer etwas näher kennengelernt haben. Wir sind durch alte Straßen, Gässchen und Parks geschlendert, haben die heute noch erhaltenen prächtigen Fassaden der Bürgerhäuser und historische Gebäude bewundert, und wir haben etwas über die Menschen, die alten Lauterer, und ihre Eigenarten erfahren.

Wir verabschieden uns von dem vergessenen bayerischen Provinzstädtchen, das zwei Weltkriege überstanden hat, ein Trümmerhaufen war und einen bewundernswerten Wiederaufbau hingelegt hat. Wir haben erfahren, was die erforderliche moderne Stadtentwicklung verändert hat und wie sie Kaiserslautern vorangetrieben hat. Mit unseren jeweils den alten Aufnahmen gegenübergestellten aktuellen Fotos haben wir gezeigt, wie sich Alt-Lautern zu einer liebenswerten, weltoffenen Großstadt, zur Universitätsstadt und zu einer beliebten Einkaufsstadt herausgeputzt hat. Heute leben hier, wie die Stadtverwaltung informiert, Menschen aus mehr als 140 Nationen, die zu Bürgern geworden sind oder als Gäste über Jahre in der Stadt bleiben.

1958 war dann der Neubau des Hauptbahnhofs fertiggestellt, der seitdem modernisiert wurde.
1958 war dann der Neubau des Hauptbahnhofs fertiggestellt, der seitdem modernisiert wurde.

Bei einem früheren Besuch in Alt-Lautern hätten wir, wie auf der oft reproduzierten und unscharfen Ansichtskarte aus dem Jahr 1912, vor 110 Jahren, zu sehen ist, das im Jahr 1876 aufwendig gebaute Bahnhofsgebäude mit kunstvoll behauener Sandsteinfassade bewundern können. Wir hätten uns vielleicht in eines der abgebildeten „Pferdetaxis“ gesetzt und hätten uns zum „Schwanen“, in das in den vergangenen Wochen erwähnte Hotel Schwan beim Fackelrondell kutschieren lassen. Der alte Bahnhof wurde im Krieg zerstört und die Stadt musste auf den Neubau bis ins Jahr 1958 warten. Wir erinnerten an die Frauen, die in den 1950er Jahren an der „Bahnhofsbarracke“ auf ankommende Züge mit Russlandheimkehrer warteten.

Im PC-Archiv viele interessante Details gefunden

Wir spazierten zu Fuß durch die Stadt, unterhielten uns mit den Leuten, lasen in PC-Dateien nach, blätterten im Stadtarchiv und machten schließlich eine aktuelle Aufnahme vom Hauptbahnhof. Die FCK-Fans kommen gerade an und gehen zum Heimspiel auf den „heiligen Berg“, sagen sie, auf den Betzenberg.

Wir haben Alt-Lautern als Industriestadt besucht, als Messe- und Ausstellungsstadt kennengelernt. Wir waren 1890 an der Baustelle der Marienkirche, wir waren am 1. September 1901 bei der Einweihung der Apostelkirche und wir hielten inne auf dem Synagogenplatz bei dem nachempfundenen, rekonstruierten Nordportal, dem Mahnmal, das an die 1938 von den Naziverbrechern zerstörte Synagoge erinnert.

Beim „Spatzebruder“ haben wir ein Glas „Rheinpfalzwein“ getrunken

Wir haben den Leistungskatalog des 1874 gegründeten Verschönerungsvereins durchgesehen, der Lautern „für die Fremden“ attraktiver gemacht hat und dem wir den Stadtpark verdanken. Wir haben auch die Arbeiterquartiere kennengelernt und die Hausbesitzer, die nicht bereit waren, ihr altes Gemäuer zu renovieren. Wir haben Schulen besucht und sind über Plätze gegangen, wie beispielsweise über den Stiftsplatz, der nichts vergessen hat – nicht die Kerwen, nicht die Demonstration der hungernden Fabrikarbeiterinnen im Jahr 1917 und nicht die Lautsprecher und die genagelten Stiefel einer bösen Zeit. Beim „Spatzebruder“, dem humorvollen Gastwirt Ecke Stiftsplatz/Bismarckstraße, haben wir ein Glas „Rheinpfalzwein“ getrunken.

Waren die Lauterer mehr Pfälzer Wein- als Bayerisches Bier-Trinker? An der Garten- oder Hofseite ihrer Häuser zogen jedenfalls viele Leute Rebstöcke an den Mauern hoch und produzierten Wein für den Eigenverbrauch. Im Herbst um die Wende zum 20. Jahrhundert gab es immer wieder Zeitungsmeldungen wie diese: „Vorsicht in den Kellern mit neuem Wein. Zahlreich sind jedes Jahr die Unglücksfälle, die auf das Vorhandensein von Kohlensäure in den Weinkellern zurückzuführen sind. Die schnelle Betäubung lässt Hilferufe nicht zu. Das Einatmen von Kohlensäure bedeutet den Tod.“ Georg Friedrich Blaul schrieb bereits 1838 in „Träume und Schäume vom Rhein“: „In Kaiserslautern wird der Wein stromweise getrunken. Die Gießbäche von Morvens Felsen sind nichts gegen manche dieser Kehlen ...“

Viele Schätze warten noch auf ihre Entdeckung – und die nächsten Sommerferien

In unserer Sommerserie haben wir Krieg und Frieden erlebt, Bombenruinen und Wiederaufbau gesehen und Abrisssünden nicht verstanden. Wir gehen jetzt zwar zum Bahnhof, kommen aber gewiss wieder, besuchen vielleicht die alten Kinos und die vielen, vielen alten Gaststätten, deren vergilbte Fotos in Pappschachteln und PC-Dateien darauf warten, dass man ihre Geschichten erzählt.

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