Kaiserslautern Absurditäten am laufenden Band

Scharfzüngig sei der Weihnachtsmann: Wolfgang Marschall.
Scharfzüngig sei der Weihnachtsmann: Wolfgang Marschall.

Kaufrausch statt Engelrausch, ausgelassene Partystimmung anstelle religiöser Andacht: Das satirische Weihnachtsspecial der Kabarettgruppe Die Untiere am Donnerstag und Freitag in Edith-Stein-Haus fand unter dem Titel „Kling, Untier, Klingeling!“ beim kommunal- bis bundespolitischen Jahresrückblick genügend Stoff und Zoff, um das zahlreiche Publikum im Edith-Stein-Haus in Atem zu halten.

Altehrwürdige Weihnachtslieder wie „Stille Nacht“ oder „O Tannenbaum“ in eigentlich festlicher Stimmung bewirken durch die Umtextierung dieser Lauterer Lästerzungen, dass schon mit dem Auftakt zur Offensive gegen verkrustete Traditionen geblasen wird. In dem wieder sehr anspruchsvollen und aufwendig zusammengestellten Satireprogramm fällt zunehmend die (multimediale) Selbstinszenierung auf: Weihnachtliche Dekoration und stimmungsvolles Einblenden von Landschaftssilhouetten und winterlichen Impressionen auf die Großleinwand etwa, ebenso die Kostümierung und gelungene Musikaufführungen. So avanciert das Programm zu einer Gratwanderung zwischen Christmas-Show mit Persiflage und musikalischem Kabarett mit aktuellen politischen Inhalten. Neben den gelungenen Umtextierungen (Parodieverfahren) zeigt der jazzige Tonfall von David Punsteins Arrangements, wie sich hier Tradition und Progression verbinden. Ein Wort in diesem Zusammenhang zu Marina Tamassys Vortragskunst: Wenn Theaterleute aus Partituren singen, ist es nicht selbstverständlich, dass sie alle Titel und Rezitationen ausdrucksstark sowie lebendig in Interaktion mit dem Publikum darstellt. Rück- und Ausblicke sind die Spezialität von Wolfgang Marschall, der sie in seine rhetorische Finessen verpackt und mit Alliterationen und Metaphern würzt. Etwa fragt er rhetorisch: „Merz nach Merkel auf der Matte?“ Oder er schüttet sein Füllhorn bildhafter Vergleiche aus: Die SPD leide an programmatischer Magersucht mit vulgärer semantischer Bulimie. Geschickt schlug er die Brücke von Berlin nach Morlautern: Der Fall der Mauer könnte sie politisch einen – in Berlin erzeugte dies Aufbruchstimmung, in Morlautern bedeute dies das Ende eines Biotops. Und weiter dichtet Altbarde „Wolfi“: „Empört sich das Volk in seinem Zorn, steckt dahinter die Firma Horn“. Nicht nur mit Amphibien, nein auch mit Bürgern solidarisiert sich Marschall: Ruinöse Kostenverlagerung von Straßen- und Platzsanierung (Schillerplatz) zu Lasten von Anwohnern mit Eigenanteil von 70 Prozent treibt ihn ebenso auf die sprichwörtliche Palme. Marschall & Co. lassen es schon vor Silvester mit zündenden Verbalraketen krachen. Und noch einer redete sich in Rage: Bei einer Neuauflage der „Mitternachtsspitzen“ lief Philipp Tulius mit seiner Imitationskunst zur Hochform auf und löste wahre Lachsalven aus. Dies gilt auch für sein gedankliches und parodistisches Versetzen in die Paraderolle als OB Weichel. Und so legte er diesem Gedanken in den Mund wie: „Wann erhält der Opelkreisel endlich weitere Ampeln?“ Diese „Absurditäten am laufenden Band“ gipfelten in der rekordverdächtigen – was das Stimmungsbarometer im tosenden Saal angeht – Gesangsnummer von Tulius-Klausi als Chorknabe: Bei dieser zwischen Knabensopran, Kastrat (wie Marschall süffisant bemerkte) und Countertenor siedelnden Version von Schuberts „Ave Maria“ gab das Publikum seine Zurückhaltung auf und öffnete alle Schleusen. Ähnliches gelang Tamassy als „Mutti“ Merkel im Musikkabarett: Ihren Zwist mit Seehofer gestaltete sie im Twist, im Tanzstil der 60er.

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