Kaiserslautern Am Aschermittwoch gab’s einen „Citrus-Shake“

Er galt als Treffpunkt: der Milchpilz auf dem Stiftsplatz.
Er galt als Treffpunkt: der Milchpilz auf dem Stiftsplatz.

Der Milchpilz im Fliegenpilzlook auf dem Stiftsplatz war Kult, sei es an Aschermittwoch mit einem „Citrus-Shake“ gegen den Kater oder im Sommer-Sonnenschein bei einer Erdbeermilch und Träumen von „Komm ein bisschen mit nach Italien…“, ein 1950er Schlager lud dazu ein.

Ein paar Fächerpalmen-Kübel und Sonnenschirmchen zauberten etwas Italien um den Pilz – wenn die Sonne auf den Stiftsplatz knallte. Es war schick, mit der Vespa vorzufahren und die Sozia zu einem Erdbeerschake einzuladen. Der Milchpilz auf der Nordostecke des Stiftsplatzes bei der Spittelstraße wurde 1952 von der damaligen Milchzentrale als Milch-Verkaufsstand eröffnet. Schon ein Jahr später bekam er eine „Trinkhallen-Konzession“ für den Ausschank nichtalkoholischer Getränke. Jetzt standen die Milch-Shakes auf einem kleinen Täfelchen, Erdbeershake, Kirsche, Pfirsich, Vanille, Schokolade und wechselnd andere mehr. Dann kam das Eis dazu. Der Kunde konnte sicher sein, dass er ein reines „Milch-Eis“ bekam, kein „Wasser-Eis“, Halbgefrorenes, was heute als Sorbet angeboten wird. Kaiserslautern war stolz auf seinen Milchpilz. Er war Verabredungsort und Treffpunkt, wie heutzutage das Glühweinständchen auf dem Weihnachtsmarkt. Milchpilze gab es aber in der Bundesrepublik in den 1950er-Jahren dutzendweise. Die Molkereien suchten wegen der Milch-Überproduktion nach Absatzmöglichkeiten. Die Milchpilze schossen wie Fliegenpilze aus dem Boden. Die Stadt baute 1958/1959 einen Reisebüro-Pavillon auf der Nordseite des Stiftsplatzes. Das war das Ende des „Fliegenpilzes“. Der Milchpilz war in den Pavillon integriert. Er wurde noch etwa zwei Jahre betrieben. Schließlich beruhigten sich auch die Kritiker, die im Fliegenpilz einen „Pickel“ sahen - so in Leserbriefen -, der den Stiftsplatz verunstalte. Der Reisebüro-Pavillon wurde schließlich umgebaut, erweitert und von den damaligen Technischen Werken als Energie-Beratungszentrum eingerichtet. Auch in diesen Erweiterungsbau war der Milchpilz integriert. Er war jetzt ein „Nebenräumchen“ des Beratungszentrums, von außen nicht mehr zu sehen. Dieser Pavillon wurde zum Politikum, als er in einer Baggeraktion in einer einzigen Nacht abgeräumt wurde. „Tarnkappenaktion“ nannten die Stadträte diesen „Stiftsplatz reinigenden“ OB-Deubig-Coup. Es sollte Platz geschaffen werden für ein Hotel. In der 1928 gegründeten Milchzentrale, ehemals in der Barbarossastraße, wurde die Milch aus der landwirtschaftlichen Umgebung von Kaiserslautern gesammelt und verarbeitet. Die Milchzentrale betrieb bis 1950 im Waldschlösschen, bei dem heutigen Parkplatz, einen Verkaufskiosk, ein kleines Holzhäuschen im Schwarzwaldstil. Die Spaziergänger konnten dort ein auf „Stangeneis“ gekühltes Glas Milch genießen, oder die Bewohner der Umgebung versorgten sich mit „Halbmilch“ und „Vollmilch“ mit der „Milchkanne“. „Erfrischungsstationen“ gab es schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts auf dem Stiftsplatz. Sie boten Sprudel, „Klickerwasser“, Bier, Brezeln und manchmal auch Obst an. Das neu eröffnete Restaurant im Saks-Hotel auf der Nordseite des Stiftsplatzes setzt die Tradition der „Erfrischungsstationen“ fort.

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