Kaiserslautern An den Sternen hängt das Bellen der Hunde

Die Deutsche Buchpreisträgerin Ursula Krechel. Der Speyerer Thomas Lehr. Hunsrück-Poet Norbert Scheuer. Berühmte Träger des Martha-Saalfeld-Förderpreises des Landes Rheinland-Pfalz, der entstehende literarische Projekte unterstützt. Am Donnerstagabend wurden in der Uni in Landau die Nachfolgerinnen und Nachfolger gekürt. Mit einem revolutionären Verfahren. Hat schon Spaß gemacht. Ging aber schief. So war es.

Um es gleich zu sagen. Alle sind begeistert. Fast. Und allen voran der Koblenz-Landauer Uni-Präsident Heiligenthal, der den so schönen literarischen Vornamen Roman trägt und vorbehaltlos bestaunt, wie viel doch Germanistikstudierende imstande sind zu lesen. Nahezu 1500 Seiten. Während eines ganzen Semesters. Literatur sogar. Texte mit mehr als 140 Zeichen. Und dann wurde auch noch darüber diskutiert. Es strahlt der Präsident. Wo man doch über die Einführung von Rechtschreibkursen in dem Fachbereich nachdenke. Sagt er. Helles Auflachen im aufgekratzten Saalpublikum. Vielleicht 200 euphoriebegabte Studierende im Audimax, auch einige, die, wenn sie studierten, im dreißigsten bis sechzigsten Semester sein müssten, schätzungsweise. Und dazwischen kräht jemand, für den wohl erst im Jahr 2034 der Studiengang Drama infrage kommt. Das Finale der Preisvergabe für den Wettbewerb um die vier vom Land vergebenen Martha-Saalfeld-Förderpreise ist ein Happening, organisiert vom Zentrum für Kultur- und Wissensdialog der Uni. Von Anja Ohmer halt. Wie immer. Ohne die quecksilbrige Uni-Privatdozentin läuft tendenziell ja nichts, wenn Öffentlichkeit und Schreiben in der Südpfalz miteinander korrespondieren. Ihre Studierenden, deshalb die 1500 Seiten, sind ein Teil der Jury gewesen, die über die besten sechs des Wettbewerbs mitentschieden hat, die hier antreten. Und jetzt wählen die Kommilitonen. Es geht um Förderung von Literatur, die im Entstehen begriffen ist. Also eigentlich. Tatsächlich aber ist die Preisvergabe ein Posen von, mit, vor allem für die, die in Landau Bachelor der Germanistik und/oder des Darstellendes Spiels werden wollen. Ist so. Ist so okay. Aber raus muss es schon auch, dass es sich bei diesem Wettbewerb vielmehr um eine Lehrveranstaltung samt Prüfung handelt. Entschuldigung! Leicht beklommen sitzt der Kritiker als Bedenkenträger in Reihe vier, sonst aber sehr gute Laune reihum. Kulturstaatssekretär Walter Schumacher hält einen Band der Martha-Saalfeld-Ausgabe in der Hand. Noch eingeschweißt. Ein Trostpreis. Zwei der sechs Finalistinnen und Finalisten werden am Ende leer ausgegangen sein. Außer dem Buchpreis selbstredend – und einen Blumenstrauß. Vier bekommen je 2500 Euro vom Land und den Steuerzahlenden. Manchmal klackt das Geräusch eines heruntergefallenen Tischtennisballs ins Audimax. Zwei Bälle hält jeder im Publikum in der Hand. Für die Abstimmung über die zwei Publikumspreise, später. Über zwei der Auszeichnungen tagte vorab die Jury mit Anja Ohmer, dem für den Preis zuständigen stellvertretenden Kultur-Abteilungsleiter im Ministerium, Michael Au, und dem Literaturjournalisten Alexander Wasner, der beim SWR arbeitet. Was passiert eigentlich, wenn sich das Publikum für dieselben Preisträger(innen) entscheidet, fragt man sich jetzt noch. Dann geht es los. Michael Au und Anja Ohmer moderieren die Literaturshow durchweg elegant. Es ist ja so, dass es die Literatur und die „Literierenden“ und die Kritiker seit einiger Zeit schon verstärkt auf die Bühne drängt, wo die Poetry Slammer schon sind. Beim Klagenfurter Bachmann-Wettbewerb gewann vor kurzem Nora Gomringer mehr mit der Aufführung ihres Textes, als mit diesem selbst. Aber auch das mit einbezogen, ist der Saalfeld-Wettbewerbsmodus Avantgarde. So einmalig hat die Auflösung der Kategorien wohl noch niemand betrieben. Und vielleicht gilt das, so lässt sich das, was der Leitende Ministerialrat Au andeutet, steil interpretieren, auch im doppelten Wortsinn. „Das zweite Stück hat mir am besten gefallen“, sagt irgendwann eine junge Frau und marschiert mit ihrem Tischtennisball davon. Zur Wahl. Allerdings stimmt sie da für ein als Hörspiel verkleidetes Gedicht von Stefan Dörsing ab, dann auch einer der beiden Publikumspreisträger. Ein bekannter Poetry Slammer, 1988 geboren. Wofür er jetzt mit dem Saalfeld-Preis gefördert wird, kann niemand so richtig sagen. Wie auch. Sein Text, mit dem er sich beworben hat, wird, wie jedes eingereichte Werk der Finalisten, in Landau lediglich als szenische Collage aufgeführt. Als Theater, Spiel. Literatur wird nach Maßgabe ihrer Dramatisierbarkeit beurteilt. Ein ehrenwerter Versuch. Gelingt er? Äh, nein. Einer lümmelt, einer sitzt vorm Computer, einer posiert für ein Selfe. Regie führt Jan Keller, der wie die Schauspieler den neuen Koblenz-Landauer Studiengang Darstellendes Spiel belegt hat. Von Dörsings Lyrik unter dem Titel „Die Reise des kleinen Menschen“ nur Fetzen. „Du siehst dein Leben an der Bar stehen und Wodka trinken“, heißt es einmal sehr schön aus dem Off. Und im O-Ton des Autors, immerhin. Beim Einspieler des zweiten Publikumspreisträgers Manuel Zerwas wird Albert-Camus-Text gesprochen. Der Roman „Die Pest“ ist so etwas wie die Folie für das Prosa-Projekt des 1987 in Speyer geborenen Erziehers. Man erfährt davon ganz genau das, was Regisseurin Freya Hemesoth zulässt. In Reihe eins sitzt Svenja Gräfen aus Daun, Jahrgang 1990, eine Online-Journalistin. Sie sieht nicht so glücklich aus. Ihre Einreichung, ein Romanausschnitt vielleicht, reduziert sich als Theaterstück (Regie: Michelle List) dann doch pur auf eine Eifersuchtsszene. Eine Frau imaginiert, welche Schuhe ihr Freund tragen wird, wenn er sich – gleich – mit seiner Exfreundin trifft. Und das Blöde ist, man kann das Scheitern des Textes auf der Bühne weder ihr, noch der Regie, oder den studentischen Schauspieler(innen) vorwerfen, die – ähm – unterschiedlich gut sind. Für die Bühne ist das Werk ja gar nicht geschrieben. Gräfen geht leer aus und schaut so. Manon Hopf, 1990 geboren, Studentin in Mainz, ist auch ohne großes Tischtennisballaufkommen aufgehellt. Ihr wird, so wie Rouven Hehlert, einem 1984 in Koblenz geborenem Trierer für sein Romanfragment „Nach Süden“, der Jury-Preis zuerkannt, auf Lektürebasis, ausschließlich. Zwei Äpfel unter Birnen. „Die Nacht gehört den Hunden, deren Bellen an den Sternen hängt“, zitiert Michael Au in seiner Laudatio auf Manon Hopf lyrisches Schreiben eine Zeile, die in der szenischen Collage mutmaßlich gar nicht vorkam. Anja Ohmer hat noch eine gute Nachricht für die teilnehmende Studentenschaft: Alle haben die Prüfung bestanden. Na, dann. Jubel!

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