Kaiserslautern Auf den Spuren einer Legende

Mit ihren Chansons bezauberte Edith Piaf Millionen. Zu ihrem 50. Todestages 2013 legte der Musikwissenschaftler Jens Rostock die erste große deutschsprachige Biographie dieser Ausnahmesängerin „Edith Piaf – Hymne an das Leben“ vor. Dieses bemerkenswerte Buch präsentiert der Autor am Mittwoch, 26. Oktober, 20 Uhr, im Cotton Club (Karten: Abendkasse). Musikalisch begleitet wird der Edith Piaf-Abend von der Sängerin Pauline Ngoc und der Band um den Gitarristen Guido Allgaier. Unser Mitarbeiter Walter Falk unterhielt sich schon mal vorab mit dem Biographen.

Ihre Vita liest sich ja unglaublich: Buchautor, Komponist, Pianist, Kabarettist, Musikforscher, Autor von Bibliographien über Hans Werner Henze, Oskar Wilde, Edith Piaf, Jacques Brel und viele mehr. Allein über 210 Publikationen gibt es von ihnen. Sind Sie ein Workaholic?

(Lacht) könnte man so sagen. Immer aber mit viel Vergnügen. Ich unterrichtete ja an den Unis von Osnabrück, Aachen und an der Pariser Sorbonne. Inzwischen aber schreibe ich lieber, als zu unterrichten. Ich habe viele wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlicht, beschäftige mich sehr viel mit Musik und stehe auch gerne auf der Bühne. Guido und Pauline habe ich in Saarbrücken kennengelernt und freue mich auf die Zusammenarbeit in Kaiserslautern. Über Ihre Piaf-Biographie gibt es ja Lobeshymnen. Was hat Sie dazu bewogen, über den „Spatz von Paris“ zu schreiben? Noch nie hat sich ein deutscher Autor mit ihr beschäftigt. Ich habe viel französische und amerikanische Literatur über sie studiert, aber keiner hat sich mit ihrer Musik und ihren Liedern genauer beschäftigt. Ich habe mir ihre Hände genau angesehen und ihre Bühnenauftritte studiert. Und ich habe einen intensiven Briefwechsel zwischen Piaf und einem älteren Herrn entdeckt, der bisher unbekannt war. Worin liegt die Einzigartigkeit dieser Sängerin, die selbst nach über 50 Jahren Millionen fasziniert? Dafür sollte man das ganze Buch lesen. Edith Piaf hatte eine schwere Kindheit. Sie ist in einem Bordell aufgewachsen, hatte dort eine Reihe von Ersatzmüttern, lebte unter Schaustellern und in schmuddeligen Wanderzirkussen und hatte eigentlich gar keine Sozialisierung. In ihrer Einsamkeit hat sie damals schon eine Art Sendungsbewusstsein erlangt. Mit ihren Liedern hat sie ja vor allem ganz einfachen Leuten Kraft gegeben und jedem Verzweifelten wieder auf die Beine geholfen, weil sie sich selbst immer wieder aus dem tiefsten Dreck erhoben hat. Sie war im besten Sinne eine Volkssängerin. Wie haben Sie sich als Biograph diesem Monument Piaf genähert? Ich habe versucht erst mal einzutauchen in das Milieu der 1920er und 1930er Jahre. Auch habe ich viel lesen müssen, dabei auch viel Mist entdeckt und die Spreu vom Weizen trennen müssen. Es gibt ja nie die eindeutige Wahrheit über die Piaf. Selbst ihre eigene Biographie nicht. Damit hat sie eher eine Art Legendenbildung betrieben. Sie schreiben: „Sie war eine Frau, die zwanghaft verletzte, was sie liebte.“ Was meinen Sie damit? Menschen, die ihr was bedeuteten, hat sie sozusagen aus ihrem Leben verbannt. Sie hat Künstler aufgebaut und wieder fallen lassen, wenn sie Erfolg hatten. Sie selbst hat ja nie eine innige Beziehung in ihrer eigenen Kindheit genossen. Sie hatte eine zwanghafte Art, Menschen, die ihr nahestanden, Schaden zuzufügen. Sie haben die Biographie mit äußerster Akribie geschrieben. Haben Sie dabei auch neue Erkenntnisse gewonnen? In Details schon. Legenden und Wahrheit existieren ja in Piafs Lebensgeschichte gleichzeitig. Das liegt daran, dass es über ihre Kinder- und Jugendzeit keine Dokumente gibt. Bei dem genannten Briefwechsel bin ich schon auf einiges gestoßen. Auch habe ich eine ganze Menge über ihre Art zu singen herausgefunden. Danke für das Gespräch. |fk/Archivfoto: frei

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