Kaiserslautern Auf der Höhe der Zeit

Ein ganz großer Mozart-Abend! Beim Zyklus mit konzertanten Aufführungen der großen Opern des Salzburger Meisters im Festspielhaus Baden-Baden unter Yannick Nézet-Séguin und mit Rolando Villazón in den Tenorrollen ist jetzt bei „Le Nozze di Figaro“ Halbzeit – und dazu gelang eine sängerisch grandiose und mitreißend spritzige Wiedergabe der Oper. Ein toller Tag im wahrsten Wortsinne.

Es dürfte der erste „Figaro“ sein, bei dem die leider meistens gestrichene Arie des Basilio von der Eselshaut zu einem der großen Hits des Abends wird. Rolando Villazón ist wie gesagt die eine feste Größe des Baden-Badener Mozart-Zyklus’, der von der Deutschen Grammophon für CD-Aufnahmen mitgeschnitten wird. Nun gibt es im „Figaro“ aber nur zwei kleine komische Tenor-Rollen, Don Curzio und eben Don Basilio, der immerhin eine – und auf ihre Art geniale – Arie hat. Erzkomödiant Villazón ließ es sich natürlich nicht nehmen, aus diesem Stück eine pfiffige Glanznummer zu machen. Die Deutsche Grammophon hat ja in der Ära der Langspielplatte und dann der CD alle gut zehn Jahre einen Zyklus mit Mozarts großen Opern aufgelegt. Ferenc Fricsay, Karl Böhm und John Eliot Gardiner waren prägende Dirigenten. Nun leitet Yannick Nézet-Séguin den Mozart für das frühe 21. Jahrhundert: im Prinzip auf modernen Instrumenten, aber immer sehr durchsichtig und in jeder Phrase rhetorisch beredt. Das Wissen um den historischen Stil ist da, aber im Kern ist der Zugang modern und frei von Zwängen. Das schafft eine Unmittelbarkeit und Offenheit, die Mozarts Musik grandios zum Leuchten bringt. Beim „Figaro“ findet Nézet-Séguin mit seiner sehr flexiblen Art der Tempodisposition den idealen Ton zwischen Opera buffa, abgründiger Ironie und tiefen Gefühlen. In der großen Arie der Gräfin im dritten Akt oder der Rosenarie der Susanna lässt er wunderbar ruhig und innig musizieren, um an komischen Stellen die Musik lebendig sprudeln zu lassen. So erwächst ein universeller Mozart, der dieser einzigartigen Partitur nichts schuldig bleibt. Wann kann dergleichen über eine Sängerbesetzung gesagt werden? Hier! In einem Ensemble ohne Ausfälle ist Thomas Hampson ein Graf von bestimmender Präsenz und ausgefeilter sängerischer Diktion. Sein Schwiegersohn Luca Pisaroni vermittelt ein facettenreiches Porträt des Figaro mit komischen und ernsten Seiten. Christiane Karg ist ein anmutige Susanna von betörender Gesangskultur in kostbarsten Tönen und Phrasen. Angela Brower gibt dem Cherubino mit zart-betörenden Tönen genau jene jugendliche erotische Spannung, die der Partie entspricht. Anne Sophie von Otter ist eine hochkarätige und entsprechend stattliche Besetzung der Marcellina. Maurizio Muraro ist ein prachtvoller Bartolo – und Regula Mühlemann (Barbarina), Philippe Sly (Antonio) und Jean-Paul Fouchécourt (Don Curzio) tragen das Ihre zu diesem Ausnahme-Interpretation bei. Die bringt eine besondere Entdeckung: Sonya Yoncheva als Gräfin, die ab sofort zu den großen Mozart-Sängerinnen unserer Zeit zählt. Mit dem Wohllaut ihrer Stimme, ihrer absolut ebenmäßigen Stimmführung und ihrer natürlichen Empfindung macht sie ihre Gräfin zum Ereignis. Das Chamber Orchestra of Europe erweist sich wieder als ebenso brillantes wie reaktionsschnelles Orchester. Das Vocalensemble Rastatt meistert die Chöre locker und fein. Info — Noch einmal morgen,17 Uhr. Karten: Fon 07221 3013-101, www.festspielhaus.de, —Soeben ist bei der Deutschen Grammophon der Baden-Badener Mitschnitt der „Entführung aus dem Serail“ vom vergangenen Jahr erschienen (DG 479 4064). Er dokumentiert eine ebenfalls quicklebendige und detailgenaue Wiedergabe, bei der Yannick Nézet-Séguins brillantes Dirigat ebenso animierende Akzente setzt wie das famose Ensemble. Diana Damrau überzeugt als Konstanze mit Mozart-Gesang von Gnaden, Franz-Josef Selig ist ein Osmin mit Belcanto-Qualitäten und Anna Prohaska kennt als quirliges Blondchen keine Not mit hohen Tönen. Mit Emphase agiert Rolando Villazón als Belmonte.

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