Kaiserslautern Bach, Blues und eine Basstuba

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Wie passen Bach und Blues oder die Basstuba zum Ballett oder die Strahlkraft eines auftrumpfenden männlich-heroischen Blechbläser-Quintetts zur engelhaften Erscheinung einer Harfenistin? Scheinbar unüberbrückbare Antinomien waren schon immer die Spezialität des Rennquintetts, das auch beim 19. Weihnachtskonzert in der Stiftskirche dieser Tradition treu blieb und stilistische, klangliche Widersprüche unter einen Hut brachte.

Restlos ausverkaufte Kirchen in der Weihnachtszeit, dazu Kinder- und Familienkonzerte übers Jahr, das Rennquintett scheint für die verschiedensten Anlässe stets den richtigen Tonfall zu finden. Ein Erfolgsrezept ist zweifellos, Menschen programmatisch da abzuholen, wo sie (gedanklich) im Moment stehen. Und das ist in dieser Zeit eben die weihnachtliche Stimmung. Das Rennquintett widerlegt die Befürchtung anderer regionaler Veranstalter, dass sich Weihnachtslieder einmal abspielen könnten. Daher gab es wieder ein ganzes Füllhorn an deutschen und amerikanischen Weihnachtsliedern, klassisch oder gegen den Strich gebürstet; mal verjazzt und verrockt oder als Collage arrangiert. Für jeden Geschmack etwas und interpretatorisch auf Hochglanz poliert. Weihnachtliche Schätze werden nicht nachgespielt, sondern immer wieder neu arrangiert, instrumentiert, harmonisiert und elektrisierend rhythmisiert. Und schließlich von den Trompetern Uwe Zaiser und Peter Leiner, dem Hornisten Uwe Tessmann sowie dem Posaunisten Jochen Scheerer (mit Euphonium/Baritonhorn abwechselnd) und Ralf Rudolph (Basstuba) herzerfrischend lebendig musiziert. Es ehrt Moderator Peter Leiner, dass er die Verdienste der Arrangeure namentlich in diesem Zusammenhang würdigt, ihnen verdankt das Rennquintett sein Erkennungsmerkmal mit dem gelegentlichen Abdriften in auskomponierte jazzige Anklänge. Ansonsten machte sich Leiner in seiner Moderation – polarisierend – unnötig angreifbar: Die schottische Komponistin und Harfenistin Sophia Dussek (vertreten durch ihre Harfensonate) und der Salzburger Michael Haydn (Bruder vom bekannteren Joseph) gehören nicht wie angesagt zur Wiener Klassik, höchstens im weiteren Sinn als Zeitgenossen der Wiener Meister. Eine verlesene Weihnachtssatire über biblische Gestalten wie Joseph entbehrte historisch jeglicher Grundlage und passt nicht zum ernsthaften künstlerischen Anspruch des Konzertes. Diskussionswürdig war auch die hergestellte Analogie zwischen biblischen Ereignissen des Matthäus-Evangeliums mit aktuellen politischen Konstellationen. Sinnvoller als rhetorisches Glatteis am lauen „dritten Weihnachtsabend“ wäre die fundiertere Hinführung zur Werk- und Rezeptionsgeschichte gewesen, die in Ansätzen stecken blieb. Das Rennquintett stellte wieder barocke Monumentalität am Beispiel von Bachs Toccata exemplarisch vor. Bachs Genialität griff ebenfalls die Gast-Solistin Maria Stange mit ihrer Griffsicherheit und klar strukuriertem Vortrag auf. Mit dem Variationszyklus über einem Thema von Bedrich Smetana, komponiert für Harfe und Blechbläser-Quintett von Jan Koetsier, gelang eine heikle Verquickung von sanft perlenden Harfenklängen mit oftmals messerscharf artikulierten Bläserepisoden und akkuraten Einwürfen. Wobei sich das Rennquintett hörbar für diese Kontrastbildung entschied und nicht für eine ebenfalls denkbare klangliche Angleichung. Michael Haydns Divertimento gab dagegen dem Quintett reichlich Gelegenheit zur Demonstration der spielerischen Klasse mit lupenreinen musikalischen Abläufen. Wobei eine Bearbeitung eines Mozart-Rondos für diese Besetzung den künstlerischen Ertrag noch steigerte, als Hornist und Solist Uwe Tessmann mehr tonliche Sensibilität, Stilgefühl und gestalterische Finessen als seine Pultkollegen nachwies. Insgesamt überzeugte ebenfalls Tschaikowskis Nussknacker-Ballett in der Suitenfassung. Bis auf einen verschleppten Tanz der Zuckerfee – gespielt von der Harfenistin – und einen Blumenwalzer, bei dem „Tulpen aus Amsterdam“ durchschimmerten und eher wie Rosen Stacheln zeigten: Dieser Walzer braucht keine kühnen Freiheiten einer „Überarbeitung“, er entfaltet vor allem in der Originalfassung seine nachhaltigste Wirkung.

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