Kaiserslautern Beethoven im Entengang

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209 Mal hintereinander stand Chuck Berry Monat für Monat einmal im Restaurant Blueberry Hill in St. Louis auf der Bühne und spielte seine Klassiker. Das letzte Mal im Oktober 2014 an seinem 88. Geburtstag. Es war sein allerletztes Konzert. Heute wird der Pionier des Rock ’n’ Roll 90.

Zahllose Sänger, Gitarristen und Pianisten wurden im ersten Jahrzehnt der Rockmusik mit Rock’n’Roll populär – aber drei Musiker vor allem prägten den Charakter dieser Musik, denn jeder von ihnen fand einen individuellen Stil und beeinflusste mit ihm die Entwicklung: Als erster integrierte Bill Haley Elemente des Swing und Dixieland in seine Songs. Einige Zeit später entwickelte Elvis Presley einen eigenen Stil beim Gesang. Er sang atemlos, sich ständig mit der Stimme überschlagend. Der dritte wichtigste Musiker der ersten Stunde war Chuck Berry. Wie die meisten stilbildenden Rock’n’Roller zeichnete Berry gleichzeitig verantwortlich als Sänger, Komponist und Texter – den wesentlichsten Beitrag lieferte er jedoch mit seinem Gitarrenspiel. Berry spielte kurze, prägnante und harte Riffs. Sein Stil wirkt deshalb hektisch, fast abgehackt. In der populären Musik wurde vorher nie derart mit Gesetzen der Harmonie und des Rhythmus gespielt. Zu Berrys Markenzeichen entwickelte sich auch der sogenannte Duckwalk (Entengang). Dabei hüpfte der Gitarrist auf einem Bein in gebeugter Haltung über die Bühne – angeblich, so Berry in seiner Autobiografie, um von den Falten in seinem Anzug abzulenken. Nach einer Frisörausbildung fiel die Entscheidung für die Musik 1955 bei einem Konzert von Muddy Waters, der Chuck Berry zu einem Plattenvertrag verhalf. Als erstes Lied bot Berry seine Eigenkompostion „Ida Red“ an. Der Song gefiel der Plattenfirma zwar – nicht aber der Titel. Berry erinnerte sich an den Namen einer Kuh aus einer Erzählung und taufte das Lied kurzerhand um in „Maybelline“. Der Song kletterte in den USA auf Anhieb auf Platz fünf der Charts. Es war der Auftakt einer Hitserie bis in die 1970er Jahre mit Songs wie „Roll Over Beethoven“, „Rock’n’Roll Music“, „Sweet Little Sixteen“, „Johnny B. Goode“, „Carol“, „Bye Bye Johnny“ oder „My Ding-a-ling“ – Titel, die sich auch im Repertoire unter anderem von Eric Clapton, Bruce Springsteen, Motörhead oder AC/DC behaupteten. „Surfin’ USA“ wurde gar erst durch die Beach Boys zum Hit. Selbst zwei Haftstrafen – 1959 weil er eine 14-Jährige in seinem Nachtclub als Prostituierte beschäftigte und 1979 wegen Steuerhinterziehung – konnten seiner Karriere nichts anhaben. Im Gegenteil: Der Umstand, dass Berry seine Gesetzeskonflikte niemals leugnete und zu seinen Verfehlungen stand, brachte ihm sogar noch einen beträchtlichen Sympathiebonus. So absolvierte er noch im hohen Alter Tourneen; zuletzt mit 87 Jahren eine Europatournee, die er dann allerdings wegen eines Schwächeanfalls abbrechen musste.

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