Kaiserslautern Bismarcktürme und „bolschewistische Flachdächer“

Eugen Hönig sah sich als Baumeister und Baukünstler.
Eugen Hönig sah sich als Baumeister und Baukünstler.

Der Bund Deutscher Architekten (BDA) ist die Vereinigung freiberuflicher Baumeister. Wer Mitglied werden möchte, kann dies nicht aus eigenem Ehrgeiz, sondern wird von den Landesverbänden berufen. Sein oder ihr Werk soll „gesellschaftliche Verantwortung übernehmen“. 1933 hatte ein Kaiserslauterer den Vorsitz über die Gilde inne: Professor Eugen Hönig, Mitglied Nr. 1.200.305 der Nazi-Partei von Adolf Hitler.

Zum Zeitpunkt seines Amtsantritts im BAD war Eugen Hönig erst ein halbes Jahr Parteimitglied der Nazis. Schon länger gehörte er dem „Kampfbund für deutsche Kultur“ an, den der Chefideologe Alfred Rosenberg als „Nationalsozialistische Gesellschaft für deutsche Kultur“ ins Leben gerufen hatte. Der Verein bekämpfte die Moderne und wandte sich unter anderem gegen das „jüdisch-bolschewistische Flachdach“. Er war „völkisch“ und offen antisemitisch.

Als Hitler Reichskanzler wurde, galt Hönig als einer der prominentesten Vertreter der Baukunst in Deutschland. Vor allem in München hatte er zahlreiche Wohn-, Büro- und Geschäftshäuser geplant, darunter das repräsentative „Haus zum schönen Turm“ in der Kaufinger Straße, dessen ursprünglicher Besitzer ein jüdischer Kaufman aus Worms war. Heute hat dort das Textilhaus Hirmer seinen Sitz.

Repräsentative Bauten in München

Mit seinem Kollegen Karl Söldner (1871-1937) plante Hönig ein Jugendstilgebäude in der Münchner Römerstraße, das heute eine Stiftung für Naturwissenschaft und Kunst beherbergt. Auch das Stammhaus der Kaffeerösterei und Delikatessenhandlung Dallmayr in der Dienerstraße wurde 1912 von Hönig und Söldner entworfen. Im selben Jahr veröffentlichte Eugen Hönig das Buch „München und seine Bauten“, das für Jahrzehnte ein weit verbreitetes Standardwerk blieb. Als Architekt und Dozent blickte er auf ein erfolgreiches Leben, das 50 Jahre zuvor in der königlich-bayerischen Bezirksstadt Kaiserslautern begonnen hatte.

Als Sohn eines Möbelfabrikanten wurde er 1873 in der Barbarossastadt geboren, wo er die Kreisrealschule und das Humanistische Gymnasium besuchte. Nach dem Abitur ging er nach München, um 1891 ein Ingenieurstudium an der Technischen Hochschule zu beginnen. Zu seinen Lehrern gehörten die damals sehr angesehenen Baumeister Friedrich Thiersch und Paul Pfann.

Planer, Dozent und Funktionär

Kurzzeitig unterrichtete Hönig an der Baugewerbeschule Augsburg, ehe er gemeinsam mit seinem Kommilitonen Söldner ein eigenes Planungsbüro eröffnete. Zwischen 1904 und ’13 war er Professor an der Höheren Bauschule. Daneben engagierte er sich im Münchner Architekten- und Ingenieur-Verein sowie im Bayerischen Kunstgewerbeverein. 1927 übernahm er den Vorsitz der Münchner Künstlergenossenschaft.

Am 23. März 1933 – wenige Wochen nach der Machtübernahme der Nazis – übernahm er die Vorstandschaft des BDA. Er folgte dem gleichaltrigen Rheinländer Wilhelm Kreis, nach dessen Entwurf in ganz Deutschland fast 50 Bismarcktürme errichtet wurden, unter anderem in Landstuhl.

Pathetischer Führerkult

„Unter der Präsidentschaft von Eugen Hönig“, so heißt es in der BDA-Chronik, „erfolgte die Gleichschaltung (…) zur staatstragenden Standesvertretung der Architektenschaft, nämlich als Fachgruppe innerhalb der Reichskammer der bildenden Künste, die wiederum eine Unterorganisation der Reichskulturkammer war. Der Verlust der organisatorischen Selbstständigkeit bedeutete faktisch die Auflösung des BDA.“

Auf Beschluss der neuen Reichsregierung wurde die Vereinigung als eigenständige Organisation aufgelöst. Dazu heißt es in der Literatur: „Der BDA schaltete sich durch Hönig selbst gleich und verpflichtete sich opportunistisch zur Mitarbeit am Werk des ,Nationalen Aufbaus’.“ Bereits Ende 1933 ging der Bund in der neu geschaffenen Reichskammer der bildenden Künste auf. Ihr Präsident: Professor Eugen Hönig. Dem Hitler-Regime huldigte der Parteigenosse ebenso eilfertig wie pathetisch. Nach einem Besuch beim „Führer“ im März ’33 rühmte er diesen als „größten deutschen Baumeister, der das neue Haus des deutschen Volkes errichtet hat“.

Ein Verband schaltet sich selbst gleich

Beim Tod des Reichspräsidenten Hindenburg gehörte er zu den Unterzeichnern eines „Aufrufs der Kulturschaffenden“ zur Volksbefragung zwecks Vereinigung des Kanzler- und das Präsidialamts: „Wir glauben an diesen Führer, der unsern heißen Wunsch nach Eintracht erfüllt hat.“

In einem Beitrag fürs 1934 erschienene Buch „Deutsche Kultur im Neuen Reich“ schwadroniert er schwülstig: „Der jahrtausendalte Traum aller wahrhaft deutschen Männer nach einem einigen deutschen Reich mit einigem Wollen ist Wirklichkeit geworden. Die gewaltige Willenskraft und gläubige Zuversicht eines einzigen Mannes, den Gott unserem Volk in der Zeit seiner tiefsten Erniedrigung geschenkt hat, hat dieses Wunder vollbracht.“

Aufnahme- und Berufsverbote

Hönig setzte seine Unterschrift unter die Ablehnung missliebiger oder „nicht arischer“ Bewerber um Aufnahme in die Kammer ebenso wie unter Berufsverbote oder Verfügungen, nicht mehr in der Lehre tätig sein zu dürfen. Dem Maler und Grafiker Eugen Spiro untersagte er jede weitere Tätigkeit, so dass der 60-Jährige ins Exil gehen musste.

1936 trat der Kammerpräsident in den Ruhestand, blieb aber „Präsidialrat“ und „Reichskultursenator“. Während des Kriegs stand der Emerit auf der Goebbels’schen „Gottbegnadeten-Liste“, was ihn vor Front- und Rüstungseinsätzen selbst an der Heimatfront bewahrte.

Wenige Wochen nach dem Ende des Nazi-Regimes starb Eugen Hönig im Alter von 72 Jahren. In sämtlichen Büchern über die Geschichte seiner Heimatstadt Kaiserslautern bleibt er unerwähnt.

Ein Bau des Architekten-Duos Hönig und Söldner in Münchens Sendlingerstraße.
Ein Bau des Architekten-Duos Hönig und Söldner in Münchens Sendlingerstraße.
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