Kaiserslautern Der Gladiator steht am Pult

Musikpädagogik hat bei der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken-Kaiserslautern (DRP) einen sehr hohen Stellenwert: Vom Orchesterspielplatz für die Vorschulkinder ab etwa vier Jahren, wo Instrumente selbst gebaut werden, gesungen, getanzt und gemalt wird, geht’s zu gemeinsamen Familienkonzerten und schulbegleitenden Projekten.

Ein solches ging am Mittwoch im SWR-Studio über die Bühne, als rund 200 Grundschüler der dritten und vierten Klassen von Kottenschule und den Grundschulen Erlenbach und Fischerrück mächtig was auf die Ohren bekamen. Der Grund: Die von SWR-Moderatorin Sabine Fallenstein erläuterte und vom Orchester der DRP in Abschnitten und Ausschnitten gespielte Ouvertüre von Camille Saint-Saens geizt nicht mit monumentalen Klangwirkungen; immerhin reizt die in der Tradition seiner sinfonischen Dichtungen stehende Ouvertüre über das Schauspiel zu „Spartacus“ die schillernde heroische Gestalt des berühmten Gladiators in seiner ganzen Tragik aus. Fallenstein gelang es, den Kindern ein Heldenepos mittels orchestraler Wirkungen, Klangfarben und kontrastierender Abschnitte stringent zu vermitteln. Und die hochkonzentrierten und sehr engagierten Musiker demonstrierten einmal mehr eindrucksvoll, dass Konzertpädagogik für sie mehr als eine Plichtübung, sondern eine Herzensangelegenheit ist. So durften ausgewählte Schüler an Orchesterpulten zwischen den Musikern auf dem Podium sitzen – ein Erlebnis der besonderen Art. Die altväterliche Redensart „Wer nicht hören will, muss fühlen“ hat dieses Fachportal der Musikpädagogik umgekehrt in „Wer fühlen will, muss hören!“. Und unter Fallensteins Anleitung und Hinführung zu den vorgestellten Abschnitten hörten sie eine ganze Menge an lyrischen wie dramatischen Stellen, bewegte wie ruhig fließende, eskalierende und vor Spannung schier berstende Momente bis hin zu kontemplativen Phasen. Doch Fallensteins ausgeklügeltes Konzept ging noch viel weiter. Sie begann mit dem Ritual des Einstimmens, der Sitzordnung des Orchesters und stellte nebenbei die Instrumentenfamilien und Instrumente vor: eine klingende Instrumentenkunde, die nicht ermüdete, sondern anregend wirkte. Vieles erfolgte als Mitmach-Theater im Ratespiel, so kam nie Langeweile auf. Vorbildlich! Fallenstein setzt nicht voraus, sie baut auf. Clever! Raffiniert, wie sie vom Orchester und der Konzertouvertüre dann die verbindende Brücke schlug zu Seitenthemen wie die Komponisten-Aufzählung, auch da konnten die Schüler punkten. Schließlich kamen alle zu den Stil- und Ausdrucksmitteln, wie die Affekte, Stimmungen und Klangfarben der Partitur. Auch da zeigte sich, dass Musik eine Universalsprache ist, dass die meisten Kinder hinsichtlich der Formabschnitte ähnliche Vorstellungen entwickelten. Fallenstein half der kindlichen Fantasie auf die Sprünge, zeigte, wie man Ohren spitzt. Was nicht vom Publikum selbst kam, warf sie gekonnt dazwischen, so Ouvertüre etymologisch von Öffnen. Und sie öffnete im doppelten Sinn Kinderseelen für romantische Musik und tauchte alles in ein Wechselbad der Gefühle, den Lebensweg des Gladiators begleitend und illustrierend. Der Höhepunkt der Veranstaltung wurde erreicht, als die Position des Dirigenten – hier Pultgast Enrico Delamboye – hinterfragt wurde: Ist nicht auch er ein Gladiator? Ein Held, der 100 Musiker koordiniert, dabei dynamisch balanciert, Tempi vorgibt und diese eisern einzuhalten sucht? Nach einer kurzen Lehreinheit über Schlagtechnik übernahmen einige Kinder den Taktstock; das Ergebnis war wirklich grandios. Das Orchester folgte mit Engelsgeduld den „Zirkeln“ in der Luft bei elementaren Tonübungen.

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