Kaiserslautern Der globale Anspruch

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Vor einem Jahr hat Peter Handke in Kaiserslautern den Else-Lasker-Schüler-Preis erhalten. An seiner Seite wurde Thomas Köck der Stückepreis überreicht. Die mit der Auszeichnung verbundene Uraufführung steht nun am Pfalztheater an: Am Donnerstag hat Köcks „Isabelle H. (geopfert wird immer)“ in Kaiserslautern Premiere. Der 29-jährige österreichische Dramatiker sieht seine Landsleute Elfriede Jelinek und Werner Schwab als Vorbilder, vor allem sprachlich.

Als Thomas Köck der Else-Lasker-Schüler-Preis zuerkannt wurde, stand schon fest, dass er der nächste Hausautor des Mannheimer Nationaltheaters werden wird. Da hatte sich der in Berlin lebende Österreicher bereits einen Namen im deutschen Theaterbetrieb gemacht. In der Nachfolge Friedrich Schillers waren an das Nationaltheater schon unter anderen Albert Ostermaier, Feridun Zaimoglu, Andri Beyeler, Ewald Palmetshofer, Felicia Zeller berufen worden. Und noch bevor Thomas Köck in Mannheim seine Stellung als Hausautor antrat, zeigte das Nationaltheater im Mai von ihm „Jenseits von Fukuyama“ . Zuvor war das Stück in Osnabrück uraufgeführt worden, wo Thomas Köck dafür 2013 mit dem Dramatikerpreis ausgezeichnet wurde. „Jenseits von Fukuyama“ ist insofern typisch für Thomas Köck, als es ein globales Thema auf den Brettern, die die Welt bedeuten, abhandelt. Das Stück setzt sich mit der These des US-amerikanischen Politikwissenschaftlers Francis Fukuyama auseinander, dass mit dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums die Menschheit in ein postideologisches Zeitalter eingetreten sei, in dem Rechtsstaatlichkeit und freie Marktwirtschaft herrschten. Dieser Einschätzung setzt Thomas Köcks Stück den beklemmenden Eindruck entgegen, dass die Menschheit sich in einer historischen Sackgasse befinde. Ein „kaputter Chor der enttäuschten Erwartungen“ macht diesen Eindruck, während die Beschäftigten eines Instituts für Glücksforschung mit statistischen Methoden nach dem Sinn der menschlichen Existenz suchen, unter ihnen ein Hauen und Stechen um eine freigewordene Stelle einsetzt und draußen durch die Straßen ein wütender Mob tobt. Einen nicht minder globalen Anspruch erhebt Thomas Köcks Umwelttrilogie. Mit deren erstem Teil, „paradies fluten (verirrte sinfonie)“ war er im Frühjahr 2015 auf dem Heidelberger Stückemarkt vertreten. Aus der Sicht des vollendeten Futurs blicken darin zwei Überlebende des Weltuntergangs , eine von der Vorsehung Übersehene und ein von der Prophetie Vergessener, auf die Vergangenheit zurück. Auf eine Inszenierung wartet das Stück noch. In Osnabrück war bisher nur eine choreographische Bearbeitung zu sehen. Der zweite Teil der Trilogie indessen, „paradies hungern (postparzen in klimakapseln)“, hatte im Oktober am Hessischen Landestheater in Marburg Premiere. Persönliche Schicksale dreier Personen durchdringen sich darin mit Nachrichten von Krisen aus aller Welt. Am dritten Teil arbeitet Thomas Köck noch. „Isabelle H.“ nun holt die Krisen, Traumata und Kriege der Welt in eine Autobahnraststätte nach Deutschland. Dort treffen eine Flüchtlingsfrau und der Soldat Daniel C., gerade aus dem Afghanistan-Einsatz nach Deutschland zurückgekehrt, aufeinander. Der Soldat, der helfen will, nimmt sie im Auto mit. Als die Frau sich in einer Routinekontrolle der Polizei nicht ausweisen kann, wird der Afghanistan-Veteran gewalttätig. Nun sind beide Außenseiter auf der Flucht, verschanzen sich in einer Lagerhalle. Der Dialog, der sich dort zwischen ihnen entwickelt, könnte auch ein Selbstgespräch sein. In den Hauptrollen des Stücks, das auch nach dem Umgang von Theater mit der Flüchtlingsthematik fragt, sind Natalie Forester und Daniel Mutlu zu sehen, Regie führte Ingo Putz. Als Vorbilder nennt Thomas Köck Elfriede Jelinek und Werner Schwab. Der Einfluss betrifft jedoch weniger die Thematik als das sprachkritische Bewusstsein der beiden. „Es ist ihr Versuch, sich einen Freiraum im Text zu schaffen, der mich fasziniert“, hat der junge Dramatiker einmal bekannt. Als Aufgabe von Kunst sieht er es an, Bewegung in starre Strukturen zu bringen. Nach einem Studium der Philosophie und Literaturwissenschaft in Wien und Berlin hat er noch szenisches Schreiben an der Universität der Künste studiert. Seit Herbst wohnt er in Mannheim. An einem Stück für das Nationaltheater, wie es von einem Hausautor erwartet wird, arbeitet er gerade. Termine/Karten —„Isabelle H. (geopfert wird immer)“; Uraufführung: Donnerstag, 7. Januar, 20 Uhr, Pfalztheater, Werkstattbühne. Danach am 13., 15. , 19., 21., 26., 27. und 29 Januar. —www.pfalztheater.de; Telefon 0631/3675209

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