Kaiserslautern Der Kreis schließt sich

Das Kunst(früh)stück in der kreativen Kombination aus Kunst und Kulinarischem knüpfte am Sonntag in der Pfalzgalerie an ein vor Jahren schon erfolgreiches Modell der Interpretation an: das interdisziplinäre Darstellen von Stilmerkmalen, Stoffen oder Themen in der Bildenden Kunst und Musik, basierend auf literarischen Quellen. Eine entsprechend große Zielgruppe folgte dem Rundgang mit ausgewählten Kunstobjekten der ständigen Sammlung und der aktuellen Sonderausstellung.

Zum Leitthema „Das Schilfrohr singt“ begrüßte die Referentin, Organisatorin, Leiterin der Gemälde- und Skulpturensammlung sowie stellvertretende Museumsdirektorin Annette Reich den Oboisten Holger Haase. Er stellte, passend zu den Themenbereichen Sololiteratur, für „seine“ Instrumentenfamilie auf Oboe, Oboe d’ amore und Englischhorn vor. Zunächst wurde der Aspekt der Metamorphose in der Mythologie zum Ausgangspunkt reflektierender Überlegungen. Dies beinhaltet Gestaltenwechsel, etwa die Verwandlung einer Gottheit, eines mythischen Wesens oder Menschen in ein Tier, mitunter aber auch Versteinerung. Unter diesem Blickwinkel gewann Wilhelm Lehmbrucks „Weiblicher Torso“ von 1918 neben naturalistischer Abbildung einer gestreckten weiblichen Figur auch expressionistische Züge: Wie die meisten seiner Skulpturen, ist die der Pfalzgalerie anonymisiert – ohne Kopf und ohne realen Bezug. Dennoch konnte Reich die Spannung der angedeuteten Bewegungsabläufe zwischen Grazie, Anmut und Ausdruckskraft zwingend vermitteln. Dabei gab sie einen kurzen, gut verständlichen Überblick über den Forschungsstand mit unterschiedlichen Auffassungen. Dazu passend hatte Haase das Thema in der Oboenliteratur gefunden und zwar in Benjamin Brittens „Six Metamorphoses after Ovid“, in denen sich Pan mit seinem Instrument und Syrinx, seine Geliebte, begegnen. Die Komposition von 1951 illustriert mit musikalischen, oftmals lautmalerischen Mitteln allegorische Bilder und Episoden nach dem römischen Dichter Ovid und geizt dabei nicht mit expressionistischen, nach außen gewandten Emotionen und Spannungen. Daphne, eine Bergnymphe der griechischen Mythologie und Priesterin der Mutter Erde, wurde in der Aulodie für Oboe von Gerhard Braun verherrlicht. Die ältere griechische Musik ist sagenhaft umwoben und verleitet zu spekulativen Äußerungen. Der 1932 geborene Komponist Gerhard Braun versucht gar nicht erst eine Rekonstruktion, sondern „erzählt“ mit seinen oftmals experimentellen und expressionistischen Ausdrucksmitteln unter Verwendung von Zitaten romantischer Oboenstellen im Stile einer Konzertfantasie. Diese lässt sich vom Stoff zwar inspirieren, ohne diesen allerdings minutiös nachbilden zu wollen. Noch deutlicher kam die stoffliche und geistesgeschichtliche Analogie zwischen dem Gemälde „Spielende Faune“ von Franz von Stuck des Jahres 1898 und der Suite für Englischhorn, betitelt „Danses des Faunes“, von Charles Koechlin zum sinnfälligen Ausdruck. Während das Gemälde, so Reichs fundierte Betrachtung, durch Licht- und Schattenspiel sowie imaginäre Achsen mit Spiegelung eine typische räumliche Aufteilung und figürliche Thematik zeigt, stellt die Musik tänzerische Metrik und Ausgelassenheit mit rhythmischen Parametern dar. Wobei sich diese Suite wiederum auf den Roman „Maitre Sonneurs“ von George Sand bezieht und sich somit der Kreislauf aus Dichtung, Musik und Malerei schließt. Schwerer fasslich waren nach diesen Reminiszenzen an Stoffe der Antike die Auseinandersetzung mit Plastiken von Norbert Kricke mit dem wechselseitigen Durchdringen der Künste. Nach den gegenständlichen und inhaltlich fasslichen Kunstwerken folgten abstrakte Gebilde Krickes und Gemälde von Emil Schumacher, bei denen Farbe nicht nur Gestaltungsmittel, sondern auch Materie ist. Dies korresponierte mit Skizzen für Oboe von Eugene Hartzell, die ebenfalls Formen und Strukturen sowie Tonalität auflösen. Bei allen Kompositionen erwies sich Haase als ein spieltechnisch versierter und gestaltungsbewusster Interpret.

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