Kaiserslautern Der Tango Nuevo in unterschiedlichster Interpretation

Das dritte Kammerkonzert des Pfalztheaters war in doppelter Hinsicht ein besonderes: Erstens stand es mit Werken des argentinischen Altmeisters des Tango, Astor Piazzolla, ganz im Zeichen eines einzigen Komponisten. Zweitens lockte der Grenzgänger zwischen Klassik, Jazz und Tango so ungewöhnlich viele Konzertbesucher an, dass die Werkstattbühne bis auf den letzten Platz besetzt war und im Korridor die Garderobe überquoll. Ein Luxusproblem, das nach organisatorischen Lösungen verlangt.

Piazzolla

spielte in seiner Heimat Bandoneon und nicht Akkordeon. Dies spielte er auch noch in anrüchigen Nachtclubs, was für seine angestrebten klassischen Kompositionsstudien in der damals erfolgreichen Talentschmiede von Nadia Boulanger am Conservatoire Américain in Paris keine Empfehlung war. Doch die französische Komponistin, Pianistin, Dirigentin und Pädagogin von Weltgeltung erkannte Piazzollas Talent, empfahl ihm aber sinngemäß „Schuster, bleib bei deinen Leisten“. Der Argentinier besann sich auf seine Stärken, ließ aber trotzdem seine Studien in Paris bei Boulanger einfließen. So entstand mit dem „Tango Nuevo“ eine Synthese aus klassizistischer Kammermusik und folkloristischem Tango mit Stilelementen des Jazz. Bei den Aufführungen zeigten sich nicht nur die unterschiedlichsten Facetten dieses Lebenswerks, sondern auch verschiedene Interpretationen. Im „Libertango“ entschlossen sich Laura Weiß (Querflöte), Harald Pfeil (Gitarre) und Caroline Busser (Violoncello) den im straffen Vierteltakt notierten Part im gefühlten Halbe-Takt (Alla Breve) zu empfinden, was zu rhythmischen Unklarheiten, verschwommenen melodischen Linien und kleinsten Verschiebungen im Zusammenspiel führte. Da hätte der pochende Pulsschlag mehr herausgestellt werden können. Dagegen wirkte das an die romantischen Charakter- und Fantasiestücke erinnernde „Oblivion“ in der Besetzung mit Flöte und Gitarre etwas verschleppt, hatte zu viel an agogischen Schwankungen. Im Gegensatz zu den Romantikern mit ähnlichen Miniaturen – wie Robert Schumann – braucht diese Musik einen rhythmischen Impuls, der bei zu viel Rubato verwischt. Besser kam der bisweilen energisch pulsierende Charakter in manchen Episoden des „Histoire du Tango“ zur Geltung, dennoch wäre der Gitarrenpart resoluter und akzentbetonter denkbar. Allerdings waren schon hier die subtilen Klangfarben des auch spielerisch sehr beweglichen, geschmeidigen und oft auch sanglichen Flötenparts unbestritten, die offenen Fragen gelten mehr dem manchmal unklaren metrischen Ablauf, der einer agogischen Freizügigkeit geopfert wurde. Dies sollte sich im zweiten Teil mit der Pianistin Ekaterina Tarnopolskaja schlagartig ändern: Deren Klavierpart beim „Grand Tango“ für Cello und Klavier hatte diesen niemals nachlassenden, auch in rubatierenden, elegisch-lyrischen Momenten noch spürbaren rhythmischen Impuls. Und er wirkte mit seinem betont perkussiven Charakter von wuchtigen Akkordschlägen stilbildend im positiven Sinn. Höchstens manchmal die klangliche Balance etwas beeinträchtigend. Im ganz großen Stil wartete die Cellistin Caroline Busser auf, die mit packendem Zugriff, mit spannungs- und energiegeladener Intensität und schwelgerischer Expressivität ihrem Part eine seltene Kraft des musikalischen Ausdrucks verlieh, durchsetzt mit den typischen Temperamentsausbrüchen dieser elektrisierenden Musik. Stringent am melodischen und rhythmischen Fluss und sich trotz detailbewussten Vortrags nicht in der Kantilene verlierend. Im Zyklus „Die vier Jahreszeiten“ verbanden die beiden Interpretinnen sich mit der Flötistin zu einem überzeugenden Trio, das seine überschäumende, aber kontrolliert wirkende Spielfreude dann noch mit einer Milonga als Zugabe krönte.

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