Kaiserslautern Die Kunst der Reduktion

In der vierten „Nuit de la Chanson“ am Freitagabend im wiederum ausverkauften Cotton Club präsentierte die Gastgeberin und Chansonnette Pauline Ngoc einen musikalischen Edelstein. Der Franzose Claudio Favari sieht Charles Aznavour nicht nur zum Verwechseln ähnlich, auch seine Stimme ähnelt dem unvergesslichen Chansonnier und Filmschauspieler.

Favari ist ein im positiven Sinne abgeklärter Künstler, der sich nicht um alles in der Welt etwas beweisen muss. Jene ungezwungene Nonchalance, die Fähigkeit, versteckte Andeutungen mit einfachsten Mitteln musikalisch umzusetzen, macht ihn zum Dirigenten der unscheinbaren Gegensätze. In Chansons wie „La mer“ (Charles Trennet), „Bleu, blanc Blues“ (Claude Nougaro), „Ne me quitte pas“ (Jacques Brel) oder „Hier encore“ und „La Mama“ von Charles Aznavour dominiert die Kunst der Reduktion. Entschlackt vom üppigem Beiwerk, gibt es Passagen von purer Essenz, als wohne in ihm eine intime, poetische Kraft. Mit seiner rauchigen Stimme trifft er den Ton aus poetischer Rezitation, faszinierender Dunkelheit und scharfkantiger Schönheit, womit er die Edelsteine des französischen Chansons mit Vorsicht abschleift. So vermittelt hier jedes Lied eine emotionale Ausdruckskraft ohne jede Exzentrik. Gleichzeitig bietet der Franzose all seine Könnerschaft in Technik und Ausdruck auf, um die Titel mit der Gitarre zum Leuchten zu bringen. Das ist Balsam für Gemüter und Ohren. Er hat die natürlichste Art zu phrasieren. Den Daumen der rechten Hand setzt er wie ein Plektrum ein und erreicht dabei anatomisch unerklärbare Geschwindigkeit. Losgelöst von Etiketten und Klischees gelingt es auch der kokett gestylten Sängerin Pauline Ngoc, zwischen den Zeilen der Songs von Aznavour, Moustaki oder Gerard Lenormand ihr eigenes Ding zu finden. Unter Begleitung der ausgezeichneten Band präsentierten sich die beiden im zweiten Teil mit Chansons von Moustaki („Le métèque“), Stevie Wonder („Le soleil de ma vie“), Gilbert Becaud („Je tappartiens“ und „Et maintenant“) gemeinsam, wobei sich Pauline Ngocs Stimme angenehm mit der sanften Stimme von Favari verflocht. Höchst präsent waren da aber auch der dezent, aber virtuos agierende Schlagwerker Michael Lakatos und der Feingeist Wolfgang Janischowski am Kontrabass. Was Guido Allgaier an der Gitarre anstellte, war waghalsig. Und Alexandra Maas begeisterte einmal wieder mit traumhaften Läufen am Akkordeon. Eine Stecknadel hätte man fallen hören können, wenn Ina Bartenschläger mit Geschichten die Interpreten der Chansons vorstellte. Sie nahm das Publikum mit zu Gerard Lenormands erstem großem Erfolg mit seinem Chanson „La ballade des gens heureux“, die zur Hymne werden sollte. Sie lässt Edith Piafs ehemaligen Sekretär und Pianisten, Charles Aznavour, lebendig werden, der 1956 seine steile Karriere begann, über 600 Chansons schrieb, am 22. Mai 2014 seinen 90. Geburtstag feierte und immer noch nicht von der Bühne abtreten will. Dem Publikum erklärt sie, dass Georges Moustaki als „Métèque“ mutig von sich als Einwanderer griechischer Herkunft singe und bald zum „Musterbeispiel der Integration“ aufgestiegen sei. Und nicht zuletzt verblüfft sie den Hörer über die Geschichte von „Monsieur 100.000 Volt“, Gilbert Becaud, der sich vor seinem allerersten Auftritt als Künstler aus dem Kleid seiner Mutter eine Krawatte schneiderte, die er dann ein Leben lang als Glücksbringer trug. Die Großleinwand zeigte gleichzeitig Fotos der Künstler, so dass man das Gefühl hatte, sie seien an diesem Abend präsent. Das begeisterte Publikum erhielt drei Zugaben.

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