Kaiserslautern Die Sprache im Mittelpunkt

Es sah so aus, als habe das Beispiel der Kanzlerin Schule gemacht: So wie Angela Merkel nach der Katastrophe in Fukushima eine radikale Energiewende verkündete, muteten vergangenes Jahr gleich zwei der wichtigen Festivals neuer Stücke den Theaterautoren und Verlagen eine völlig neue Ausrichtung zu. Nun steht beim Stückemarkt erneut eine Wende bevor.

Ausgehend von der Annahme, in der Autorenförderung gebe es Überhitzungserscheinungen, entschied das Deutsche Theater Berlin, seine Autorentheatertage nicht mit neuen Stücken zu bestreiten. Und noch viel weitreichender: Für den traditionsreichen Stückemarkt des Berliner Theatertreffens, so die Ankündigung der Festivalleitung, werde es keine Jury mehr geben. Vor allem aber solle es nicht mehr „nur“ um neue Theatertexte gehen. Drei allein verantwortliche Kuratoren, so der Beschluss, hätten künftig verstärkt Projekttheater und performative Theaterformate im Visier. Das war ein Erdbeben. Viele empfanden die Hinwendung zu diesen häufig in Gruppenprozessen entstandenen und „sprachlosen“ Theaterformen als Kampfansage in Richtung Autor und Text. Inzwischen hat sich das Blatt allerdings noch einmal gewendet. Am Deutschen Theater Berlin konzentriert man sich mit einem geänderten Auswahlverfahren wieder auf die Suche nach neuen Stücken. Und auch die Leitung des Berliner Theatertreffens hat gerade bekanntgegeben, sie werde die beschlossene Neuausrichtung des Stückemarktes so modifizieren, dass man von einer weitgehenden Zurücknahme des neuen Kurses sprechen kann. Dass man zu diesem Schluss kam, hat mit der massiven Kritik zu tun, die die beschlossene Neuausrichtung hervorrief. In der Kritikerumfrage der Fachzeitschrift „Theater heute“ zum Beispiel wurde die klammheimliche Aussortierung des Theaterautors sehr oft unter der Rubrik „ärgerlichste Theatererfahrung“ genannt. Und der wichtigste Mäzen des Festivals, der Stuttgarter Unternehmer und Manager Heinz Dürr, hatte angemerkt, er möchte „Menschen mit ihren Problemen auf der Bühne zuschauen und nicht von dekonstruktivistisch-privatbefindlichen Theoriedestillaten angeödet werden“. Dürr ist ein Freund des Theaters und hat sich vor allem der Förderung von Nachwuchsautoren verschrieben. Man kann davon ausgehen, dass der Großaktionär der Stuttgarter Dürr AG gerne vernommen hat, was die Leitung des Theatertreffens in diesen Tagen verkündete: Künftig werde es für den Auswahlprozess des Stückemarktes wieder eine Jury geben. Man wolle, so die Sprachregelung, zwar weiterhin „nach innovativen Theatersprachen und vielfältigen Formen der Autorschaft“ suchen, im Zentrum sollen aber Theaterabende stehen, „in denen das Medium Sprache ein Hauptaspekt ist“. Wie das zu verstehen ist, erklärt die Leiterin des Theatertreffens, Yvonne Büdenhölzer. Die Sicht des diesjährigen Stückemarktes auf die aktuelle Theaterarbeit sei sehr radikal gewesen, man habe ja nur einen klassischen Theatertext nominiert. Da der Stückemarkt sich aber weiterhin als Plattform für Autoren verstehe, werde man künftig gleichberechtigt in zwei Richtungen suchen: „Es soll den klassischen Schreibtischtext geben, aber auch den Theaterabend, der im Kollektiv, durch dokumentarisches Material oder im Rechercheprozess entstanden ist.“ Dass das neuerliche Umdenken etwas mit der Kritik von Heinz Dürr zu tun haben könnte, sieht Yvonne Büdenhölzer nicht. Dürr sei ein Anhänger des klassischen Theatertextes, und man habe davon ausgehen können, dass er das Ergebnis der letzten Ausgabe des Stückemarktes skeptisch beurteilt. Aber: „Er gab auch zu verstehen, dass er uns vertraut und weiter fördern wird.“ Bliebe noch anzumerken, dass in der neu gebildeten Jury neben Yvonne Büdenhölzer der Autor, Regisseur und Performer Tim Etchells, die Autorin und Regisseurin Helgard Haug, der Autor Lutz Hübner und der Regisseur Milo Rau sitzen werden.

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