Kaiserslautern Einst Lehrerseminar, heute Schule

Das Lehrerseminar auf dem Rittersberg um die Mitte des 19. Jahrhunderts.
Das Lehrerseminar auf dem Rittersberg um die Mitte des 19. Jahrhunderts.

Es ist eines der bedeutendsten Jubiläen, die 2018 in Kaiserslautern gefeiert werden dürfen. Das Rittersberg-Gymnasium kann auf eine 200-jährige wechselvolle Geschichte zurückblicken, die mit der Gründung eines Schullehrerseminars am 9. Juli 1818 begann. Denn das Königreich Bayern, in das die Pfalz seit 1816 eingegliedert worden war, wollte für das Schulwesen des neuen Verwaltungsgebiets, insbesondere für die Volksschulen, ein trag- und ausbaufähiges Fundament schaffen. Die bayerische Regierung richtete daher ihr Augenmerk auf die Ausbildung der Lehrer, es sollte ein Lehrerseminar zentral für die gesamte Pfalz eingerichtet werden. Bereits am 20. August 1817 fiel „im Namen Seiner Majestät des Königs“ die Entscheidung: „Um dem seit vielen Jahren eingerissenen Mangel an tauglichen Volksschullehrern durch gute Bildung der jungen Aspiranten baldmöglichst abzuhelfen, soll in der Bezirksstadt Kaiserslautern ein Schullehrer-Seminar eingerichtet werden.“ Die Kandidaten sollten mindestens 16 und höchstens 18 Jahre alt sein, hatten im Anschluss an die Zugangsprüfung zwei Jahre „Normalunterricht“ im Schullehrerseminar zu absolvieren und wurden in den Fächern Lesekunst, Schönschreibekunst, Rechenkunst, Deutsche Sprache, Religionsunterricht, Planzeichnen, Gesang und Musik sowie „gute Lehrart und Schulzucht“ unterrichtet. Ein geeignetes Gebäude wurde in der Altstadt von Kaiserslautern gefunden und angekauft. Es handelte sich um ein Wohnhaus am Rittersberg mit Hof, Scheune, Stallungen und Garten, das entsprechend hergerichtet werden musste. Die Schüler selbst fanden Unterkunft in Privatquartieren der Stadt. Warum wurde Kaiserslautern als Standort gewählt? Dafür gab es einen gewichtigen Grund, denn hier wirkte bereits seit 1811 der hochqualifizierte Reformpädagoge Friedrich Wilhelm Balbier, ganz Sinne der Ideen Pestalozzis. Als Subrektor des 1811 von den Franzosen gegründeten Collège (Ursprung des heutigen altsprachlichen Albert-Schweitzer-Gymnasiums), das später zum bayerischen Progymnasium wurde, hatte er sich einen ausgezeichneten Ruf erworben und über diese Tätigkeit hinaus Ideen für die Verbesserung des Volksschulwesens entwickelt. Unterstützt vom Kreisschulrat Friedrich Butenschoen verband Balbier die Leitung des neuen Schullehrerseminars und des Progymnasiums in Personalunion. Seine bewährten Lehrkräfte setzte er sowohl bei den Schülern als auch bei den Seminaristen ein. Balbier war der richtige Mann am richtigen Ort, der ein Wochendeputat von 42 Schulstunden schulterte. Am Progymnasium gab er die Fächer Latein, Griechisch, Mathematik, Physik und Logik, am Schullehrerseminar Erziehungs- und Unterrichtslehre, Geschichte der Pädagogik und Physik. Balbier, posthum als „Pestalozzi der Pfalz“ apostrophiert, führte das Schullehrerseminar bis zu seinem Tod 1832 zu einer ersten Blüte. Seine Nachfolger konnten das pädagogische Niveau des Gründers nicht halten, auch weil die Zeit der Restauration und Reaktion das nicht zuließ. Dem angesehenen Pädagogen Carl Andreae, der ab 1869 die Leitung 40 Jahre lang übernahm, war es vorbehalten, das Schullehrerseminar wieder auf Vordermann zu bringen. Wie sein Vorgänger Balbier, so galt auch Andreae als Koryphäe auf dem Gebiet der Pädagogik, der beim Unterricht der Seminaristen als Theoretiker und Praktiker zu überzeugen wusste. Die Nachfolger Andreaes hatten es schwer, zu groß waren die Fußstapfen, die auch er hinterließ. Erschwerend kam hinzu, dass die Lehrerbildungsanstalten nach dem Ersten Weltkrieg als veraltet galten und der Ruf nach einer Hochschulausbildung der Volksschullehrer mit dem Abitur als Zulassungsvoraussetzung lauter wurde. 1936, in der nationalsozialistischen Zeit, war es dann soweit: Bayern führte Hochschulen für Lehrerbildung ein, für das Lehramt zum Volksschullehrer war ein viersemestriges Studium mit Abschlussprüfung vorgeschrieben. Die Lehrerbildungsanstalt in Kaiserslautern wurde kurzfristig geschlossen, 1941 aber wiederbelebt. Inzwischen war in die Gebäude am Rittersberg auch eine sogenannte Aufbauschule eingezogen, doch die Bombenangriffe in der Nacht vom 27. zum 28. September 1944 hinterließen ein so großes Trümmerfeld, dass lediglich der Schlafsaalbau und einige Seminarübungsräume erhalten blieben. Nach dem Krieg wurden die Karten im Kaiserslauterer Schulwesen neu gemischt. Die höheren Schulen, Oberrealschule und Gymnasium, konnten bereits wieder am 1. Oktober 1945 beginnen. Das Gleiche galt für die „Aufbauschule für Jungen und Mädchen“ am Rittersberg, die allerdings nicht mehr lange Bestand haben und in die neu geschaffene Oberrealschule II transformiert werden sollte. Die Lehrerbildung ging nun endgültig in den Hochschulbereich über. Doch erst die Schulreform des neugegründeten Bundeslandes Rheinland-Pfalz von 1950 bedeutete eine wirkliche Zäsur. Die bisherige Oberrealschule II wurde in ein naturwissenschaftliches Gymnasium (später: Hohenstaufengymnasium) und die Oberrealschule II in das Staatliche Neusprachliche Gymnasium am Rittersberg transformiert. Für die praktisch-pädagogische Ausbildung der künftigen Lehrer war seit April 1950 das staatliche Bezirksseminar für das höhere Lehramt zuständig, das Professor Michael Keßelring vom Neusprachlichen Gymnasium leitete. Der Unterricht am Neusprachlichen Gymnasium fand zunächst in den beiden nicht zerstörten Altbauten statt. Unter der Leitung des Oberstudiendirektors Fritz Edelmann konnte im Herbst 1955 der Aufbau eines neuen Schulgebäudes begonnen und im Februar 1957 abgeschlossen werden. Nach der Generalsanierung des Schulgebäudes und dem Anbau der naturwissenschaftlichen Fachräume im Jahr 1993 sowie 2001 durch die Neugestaltung der historischen „Villa Winkler“ zu einem Unterrichtsgebäude für die Oberstufe mit sieben Kursräumen und einem Lehrerzimmer erhielt das Ritterberg-Gymnasium sein heutiges Gesicht. Schaut man auf die Chronologie des Rittersberg-Gymnasiums, dann ist aus der jüngeren Vergangenheit vor allem das Jahr 2014 zu nennen, in dem das 40. Jubiläum des Schüleraustauschs mit dem französischen Collège Université in Reims sowie das 25. Jubiläum mit der englischen St. Bonaventure’s und St. Angela’s R.C. School in Newham/London gefeiert werden konnte. Darüber hinaus wurde im gleichen Jahr der Schüleraustausch mit der amerikanischen Governor’s School for Science and Mathematics in Hartsville/South Carolina begründet. 2018, sieben Jahre nach dem Albert-Schweitzer-Gymnasium, kann jetzt auch das Rittersberg-Gymnasium auf eine 200-jährige Tradition zurückblicken. Die Ursprünge beider Schulen sind untrennbar mit der Person des Mannes verbunden, der sich um die Entwicklung des Schulwesens und der Reformpädagogik in der Pfalz große Verdienste erworben hat: Friedrich Wilhelm Balbier.

Friedrich Wilhelm Balbier (1778-1832), Ahnherr des Albert-Schweitzer-Gymnasiums und des Rittersberg-Gymnasiums.
Friedrich Wilhelm Balbier (1778-1832), Ahnherr des Albert-Schweitzer-Gymnasiums und des Rittersberg-Gymnasiums.
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